Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
bestehen.
Wir bewegten uns durch den Raum, tänzelten umeinander herum und wichen einander aus. Staub wirbelte durch die schwüle Luft und machte sie noch stickiger, so dass ich nur schwer atmen konnte. Vielleicht war es auch nur die Angst, die immer schwerer auf mir lastete. Abgesehen von dem gelegentlichen Geräusch aneinanderklatschender Körper oder einem schweren Schritt auf dem erdigen Boden vollführten wir einen teuflischen, lautlosen Tanz. Immer mehr Schläge drangen durch meine Verteidigung und prasselten auf meinen Körper nieder, hinterließen Schrammen und Prellungen, aber keine Brüche. Noch nicht. Jedes Mal, wenn er mich traf, jedes Mal, wenn er mich mit seinen Zäh— nen oder Nägeln kratzte, schloss ich den Schmerz in mir ein. Wenn er daran wollte, musste er ein ganzes Stück härter kämpfen.
Dass er dazu vermutlich problemlos in der Lage war und davor nicht zurückschrecken würde, war ein grausiger Gedanke.
Aber immerhin stand ich, nachdem wir ein paar unendlich lange Minuten heftig gekämpft hatten, noch auf den Beinen, und das relativ unverletzt. Aber, Himmel, war ich dankbar, als er innehielt! So sehr der Wolf in mir darum bettelte, ihn anzugreifen, mit den Krallen nach ihm zu schlagen, ihn zu beißen und diese stinkende Kreatur in Stücke zu reißen: Meine Vernunft behielt die Oberhand. Dieses Tempo konnte ich nicht lange durchhalten. Ich besaß zwar die Kraft eines Wolfs und eines Vampirs, aber Gautier war jetzt deutlich mehr. Wer weiß, welche Kraft der Drache ihm verlieh? Ich musste meine Kräfte einteilen und mich nach ihm richten, bis ich die Gelegenheit bekam, die Führung zu übernehmen.
Er atmete tief ein. Seine trüben Augen blitzten entzückt. »Ach, der süße Geruch von deiner Angst, Riley. Das ist so viel köstlicher als Blut.«
Ich wich noch ein Stück zurück und wischte mir mit meinem blutverschmierten Arm den Schweiß von der Stirn. Er verströmte mit jeder Pore Selbstvertrauen, und ganz ehrlich, wer wollte ihm das verübeln? Man roch meinen Schweiß, meine Anstrengung und mein Blut ebenso wie die bereits erwähnte Angst. Das konnte ich nicht leugnen.
»Genieße es, solange du noch kannst, Psycho, denn es wird dein letztes Mal sein.«
Er griff hinter sich und zog erneut das Messer hervor. In dem flackernden Schein der Fackeln wirkte es, als würde die Silberklinge rotgolden glühen. Als ob an ihr bereits mein Blut klebte.
Ich zitterte, ignorierte die Klinge und beobachtete stattdessen seine Hände. Bei normalen Psychopathen verfolgte man die Bewegung der Augen, aber Gautier war viel zu verschlagen. So leicht machte er es einem nicht. Wenn er mit dem Messer zustieß, würde ich es nur daran merken, dass seine Finger kurz vorher zuckten.
Er stieß nicht zu.
Er lachte nur. Das Geräusch donnerte durch die Stille und riss an meinen Nerven.
Ich dehnte die Finger und wartete.
Er lächelte und ließ die Klinge lässig vor- und zurückschwingen.
Als er mich schließlich angriff, ging es so schnell, dass ich kaum Zeit hatte zu blinzeln. Ich fuhr herum und trat mit dem nackten Fuß nach ihm. Mit meiner Ferse traf ich seinen Magen und stieß ihn zurück. Er schlug mit der freien Hand nach unten und verpasste nur knapp mein Schienbein; dann folgte er der Richtung des Schlages, wirbelte herum und schlug und trat dabei in einer einzigen geschmeidigen Bewegung um sich. Plötzlich entglitt meinen nervösen Fingern das Messer. Sein Messer verfehlte nur knapp meine Nase und hätte mir vermutlich das Gesicht aufgeschlitzt, wenn ich nicht gerade noch ausgewichen wäre.
Das machte mich aus irgendeinem Grund wütend. Ich konnte damit umgehen, wenn man mich zu Brei schlug, aber mir das Gesicht zu zerschneiden, gehörte sich einfach nicht. Ich war vielleicht nicht besonders hübsch, so dass ich mir deshalb keine großen Sorgen machen musste, aber ich hing enorm an dem, was ich hatte.
Gautier dehnte kurz die Finger, schloss sie um den Schaft des Messers und verschwamm zu einem unscharfen Fleck. Mit federleichten Schritten bewegte er sich über den staubigen Boden. Es war kaum mehr als ein Flüstern zu hören. Ich wünschte, ich könnte dasselbe von seinem Geruch behaupten. Er roch intensiv nach Tod. Dieser widerwärtige Gestank raubte mir den Atem, so dass ich noch mehr Schwierigkeiten hatte, mich zu konzentrieren.
Ich verfolgte ihn mit Infrarotsicht, wartete, bis er ganz nah war, ließ mich dann fallen, wirbelte herum und versuchte, ihn zu Fall zu bringen, indem ich mit dem Fuß nach
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