Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
und hielt ihn fest. In der Intimität der Nacht kam es Stefan so vor, als hätte sich die Welt auf den Kopf gestellt. In Sea Haven gab es stärkere Kräfte, als ihm klar gewesen war – oder in dieser Frau. Er war auf einen Kampf vorbereitet gewesen, als er hierhergekommen war, aber nicht auf diese langsame Verführung seiner gesamten Sinne. Er fühlte nichts. Ihm war es nicht gestattet, etwas zu fühlen, und doch war er jetzt, als sein Körper nur um Haaresbreite von ihrem entfernt war, lebendiger als jemals zuvor.
Er drückte ihr den Schlüssel in die Hand und überprüfte, ob die Tür abgeschlossen war, ehe er sich langsam und nahezu widerstrebend aufrichtete. Er konnte sich noch nicht ganz von ihr lösen und ließ den Blickkontakt keinen Moment lang abreißen. Stefan legte eine Hand behutsam neben ihren Scheitel und beugte sich die wenigen fehlenden Zentimeter vor, bis ihre Brüste um Haaresbreite seinen Brustkorb berührten.
»Das ist mir noch nie in meinem ganzen Leben passiert.« Die Aufrichtigkeit in seiner Stimme konnte ihr nicht entgehen. Es war die nackte Wahrheit. »Ich weiß noch nicht mal, was zum Teufel hier passiert.« Hier sprach eindeutig Stefan Prakenskij und er zuckte zusammen. Es war eine Beschuldigung. Ein Knurren. Eine Forderung, die Wahrheit zu erfahren – und, was noch schlimmer war, er fiel als schüchterner Thomas aus der Rolle.
War sie eine Agentin, die so verflucht gut war, dass er keine Chance gegen sie hatte? Hatte sie Jean-Claude ebenso mühelos übertölpelt? Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie besessen Jean-Claude von ihr war, und trotzdem war er in dieselbe Falle getappt und hatte sich von ihr einfangen lassen.
Sie hob eine zitternde Hand und ihre Finger strichen beinah über sein Gesicht, ehe sie sich zurückhielt. »Ich weiß auch nicht, was hier passiert, Thomas. Was auch immer es ist, es darf nicht passieren. Das täte ich Ihnen nicht an.«
Ihre Worte waren so aufrichtig wie seine Worte. Sie hielt sich selbst für diejenige, die in den Schatten lebte. Sie verbarg sich hinter diesem reizenden Auftreten und hielt die echte Judith hinter einer Mauer gefangen, still und erstarrt, und sie weigerte sich, diese Mauer einzureißen. Sie hatte Angst vor sich selbst, vor derjenigen, die sie in Wirklichkeit war. Er sah sie und wusste, dass andere niemals das glimmende Feuer wahrnehmen würden, das sie so tief in sich begraben hatte. Das Feuer und noch etwas anderes – eine lebensgefährliche Kraft, die sich mit ihrem Gegenstück in Verbindung setzen wollte, der gefährlichen Kraft in ihm.
Sie hatte Angst – um ihn. Sie hatte Angst vor sich selbst. Und das sagte ihm viel mehr als alles, was sie in Worten hätte eingestehen können. Sie besaß große Macht und war es nicht gewohnt, sie auszuüben. Was also war es? Was könnte sie fürchten?
»Wir kriegen das schon hin, Judith«, beteuerte er ihr, von dem Drang getrieben, dieser Mann für sie zu sein, der eine Mann, dem sie furchtlos die Wahrheit sagen konnte. Er musste unbedingt der Mann sein, der sie aus den Krallen dieser Furcht befreite, die sie mit aller Kraft in ihrem Innern festhielt. Er hatte noch nie das Bedürfnis verspürt, jemanden zu beschützen oder jemanden zu retten. Was war das bloß, was sie an sich hatte und was ihm derart unter die Haut ging?
Sie erschauerte und senkte den Kopf, doch er hatte bereits einen Blick auf das Grauen geworfen, das sich plötzlich in ihren Augen gezeigt hatte. Sie sah nur einen Moment lang weg und wandte sich ihm gleich wieder zu, aber er hatte bereits die echte Judith gesehen.
Sie zog die Schultern zurück, reckte ihr Kinn in die Luft und sah ihm mutig in die Augen. »Ich bin kein guter Mensch, Thomas. Was auch immer das zwischen uns ist, Sie müssen wissen, dass es zu nichts führen kann. Es wird zu nichts führen. Sie scheinen ein anständiger Mann zu sein. Ich werde mit Ihnen zusammenarbeiten, wenn Sie wirklich daran interessiert sind, die Galerie zu erwerben, und ich bin gern bereit, Sie mit den Leuten hier bekannt zu machen, aber Sie müssen wissen, dass nie mehr daraus werden darf.«
Ihre körperliche Anziehungskraft auf ihn war enorm. Er fühlte sich auch von ihren übersinnlichen Kräften angezogen, worin auch immer sie bestehen mochten, aber jetzt schlich sich noch etwas anderes ein und machte es umso gefährlicher für ihn, in ihrer Gesellschaft zu sein: Bewunderung. Und Respekt. Und er verspürte das übermächtige Verlangen, ein besserer Mensch zu sein. Ein Held, der
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