Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
seinen Augen. Zum ersten Mal seit so vielen Jahren, dass er sich kaum zurückerinnern konnte, wollte er um einen anderen Menschen weinen.
Stefan zog ihren unnachgiebigen Körper in seine Arme und räumte ihren Widerstand mit reiner Körperkraft aus dem Weg. Er hielt sie eng an sich gedrückt und versuchte mit bloßer Willenskraft zu erreichen, dass die Glut seines erhitzten Körpers in sie hineinsickerte, sie wärmte und sie von einem Ort voller Tod und Verzweiflung zurückholte. Seine Hände glitten in ihre üppige Haarpracht, packten die seidigen Strähnen und massierten mit kräftigen Fingern ihre Kopfhaut.
»Komm zurück zu mir, Judith. Du bist jetzt bei mir und in Sicherheit. Du kannst schreien, wenn du es brauchst. Oder weinen. Aber bleib bei mir. Es gibt keinen Grund, Angst um mich zu haben.«
Sie schüttelte den Kopf und ihre Furcht schlug ihm entgegen.
»Ich kann alles verkraften, was du empfindest, das Schlimmste, was du zu bieten hast, mio angelo caduto . Ich bin kein Neuling in diesen Dingen. Ich bin genau da gewesen, wo du gerade bist. Du bist nicht allein, nicht solange ich mit dir auf dieser Welt bin.«
Judith sprach sieben Sprachen, und daher wusste sie die Worte zu übersetzen, die er in seiner perfekten Aussprache auf Italienisch zu ihr gesagt hatte: mein gefallener Engel . Sie gab einen einzigen Laut der Verzweiflung von sich, der ihm im Herzen wehtat.
Stefan zog mit der Hand in ihren Haaren ihren Kopf zurück, ohne vorher zu fragen. Das war nicht seine Art. Sein Mund fand ihren und ergriff Besitz davon, stieß seine Zunge tief hinein und verlangte von ihr, dass sie ihn zur Kenntnis nahm und auf ihn reagierte. Sie sollte anerkennen, dass sie bei ihm in Sicherheit war, selbst wenn ihre Gefühle noch so intensiv waren. Er lebte in den Schatten. Er verstand sich auf Kämpfe. Ihm war das Spiel nicht neu und er würde sich für sie einsetzen.
Es dauerte ein Weilchen, bis sie seinen Kuss erwiderte, doch dann umklammerte sie ihn und drückte ihn eng an sich, während Dunkelheit und Selbstverachtung auf seinen Körper einhieben, Grauen sein Herz zerschmetterte und Kummer seine Seele zerquetschte. Ihr Körper legte den größten Teil seiner Starre ab, wurde weich und verschmolz mit seinem, als sie kapitulierte.
Stefan drückte zarte Küsse auf eine Seite ihres Gesichts und folgte dabei den Tränenspuren. »Ich bin hier, Judith. Ich habe nicht die Flucht ergriffen. Sieh dich um. Das Haus steht noch, es ist nicht eingestürzt. Ich bin heil und unverletzt und du bist bei mir in Sicherheit. Willst du wirklich allein sein?«
»Ich bin nicht die perfekte Frau, für die mich alle halten wollen.«
Ihr Geständnis wurde durch seinen Mund auf ihren Lippen gedämpft und er küsste sie wieder. »Ich suche keine Perfektion. Ich bin kein Mann, der damit leben könnte. Ich habe auch einige Sünden begangen, Judith. Bei mir bist du in Sicherheit. Wirklich. Ich werde es dir eine Million Mal sagen, falls du es so oft brauchst, mich diese Worte sagen zu hören.« Er lockerte den Griff, mit der er ihr Haar immer noch gepackt hielt, damit sie ihr Gesicht an ihm begraben konnte.
»Ich kann sie beide fühlen, über und unter mir, und ich bin zwischen ihnen eingezwängt. All das Blut und die Gehirnmasse.« Sie würgte und fing wieder an zu weinen. »Ich hasse ihn so sehr. Jean-Claude. Ich weiß, dass ich dafür verantwortlich bin. Die Therapeutin und meine Schwestern denken anders darüber, aber ich war diejenige, die sämtliche Warnsignale missachtet hat. Ich habe nur das gesehen, was ich sehen wollte, und mein Bruder hat den Preis dafür bezahlt. Ich habe meine Gefühle nicht beherrscht und der Polizeibeamte hat dafür mit seinem Leben bezahlt.«
Sie rieb ihre Arme und hielt ihr Gesicht weiterhin an seinem Brustkorb begraben, ihr Ohr direkt über seinem gleichmäßig schlagenden Herzen. »Überall war so viel Blut, Thomas, und nichts davon war mein Blut. Ich hätte diejenige sein sollen, die dort lag, nicht mein Bruder.«
»War Jean-Claude da?«
Er fühlte ihr schwaches Kopfschütteln und presste seine Lippen an ihr Ohr. Zärtlichkeit sprudelte wie eine Quelle in seinem Inneren auf, in Tiefen, von denen er nicht gewusst hatte, dass er sie besaß. Er strich ihr mit einer Hand sanft über den Rücken und schmiegte sie enger an sich.
»Natürlich nicht. Er hat in der Sicherheit seines kleinen Schlosses darauf gewartet, dass seine Männer mich zu ihm zurückschleppen. Ich bin dann für zwei Monate untergetaucht.«
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