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Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)

Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)

Titel: Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feehan
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»Dann erzähl es mir. Zeig dich mir von deiner schlimmsten Seite, Judith.«
    »Du bist ein anständiger Mensch, Thomas. In deinem Innern bist du ein guter Mensch. Ich kann nicht verstehen, warum du glaubst, du könnest jemals mit jemandem zusammen sein, der seine Gefühle nicht unter Kontrolle hat und andere den Preis dafür bezahlen lässt.«
    »Dass sich dein Element deiner Kontrolle entzogen hat, macht dich noch lange nicht zu einem schlechteren Menschen als mich. Denke bloß nie, ich hätte in meinem Leben nicht weitaus Schlimmeres getan.«
    Er drehte sie zu sich um und zog sie automatisch vom Fenster fort. Diese Gewohnheit war tief in ihm verwurzelt, wie so viele andere, und er würde sie selbst dann nie ablegen können, wenn er sein Leben vollständig änderte. Er servierte ihr Stefans Wahrheit, nicht die eines Thomas Vincent. Möglicherweise würde sie seine Haltung sich selbst gegenüber auf den Militärdienst zurückführen und sich irreleiten lassen, aber er würde so nah wie möglich bei der Wahrheit bleiben.
    Sie musterte seinen Gesichtsausdruck, seine Mundpartie, die Kühle seines Blicks. »Ich will seinen Tod. Jean-Claude. Ich will, dass er leidet und stirbt.« Diesmal wandte sie ihren Blick nicht ab, sondern sah ihn fest an und reckte dabei ihr Kinn hoch, als erwartete sie seinen Urteilsspruch.
    »Du willst also Gerechtigkeit.« Er zucke die Achseln. »Das ist wohl kaum ungewöhnlich und auch nichts, wofür man sich schämen müsste, mi angel caido .« Diesmal hatte er zu Spanisch übergewechselt, denn er wollte ihr unmissverständlich klarmachen, dass auch er Fremdsprachen beherrschte und dass sie, ganz gleich, für wie tief gefallen sie sich hielt, sein Engel war und es immer sein würde.
    Judith sah ihm weiterhin fest in die Augen, während sie bedächtig den Kopf schüttelte. »Es geht mir nicht um Gerechtigkeit. Es war gerecht, dass Jean-Claude für seine Verbrechen ins Gefängnis gekommen ist. Ich will vielmehr Rache für die Folterung und Ermordung meines Bruders. Und für die anderen, die an jenem Tag ihr Leben verloren haben. Mir ist durchaus bewusst, dass meine Rachegelüste mich nicht besser machen, als er es ist, aber ich werde eine Möglichkeit finden. Meine Zeit wird kommen. Und ich werde keinen Unschuldigen für den Verlust meiner Menschlichkeit leiden lassen.«
    Stefan betrachtete sie lange Zeit schweigend, so lange, dass Judith nicht mehr sicher war, ob er etwas dazu sagen würde. Sie hatte ihm das Schlimmste gesagt und weigerte sich, den Blick von ihm abzuwenden. Dieser Mann war schwer zu durchschauen. Seine aquamarinblauen Augen sahen sie an, doch sie sagten ihr nicht das Geringste. Sie hörte das Ticken der Standuhr und ihr Magen drehte sich um, weil sie begriff, was in ihr vorging. Sie wollte nicht, dass er eine allzu schlechte Meinung von ihr hatte, obwohl sie wusste, dass sie es verdient hatte.
    »Welche Frau würde ihr Leben um Rachegelüste herum aufbauen?«, flüsterte sie, weil ihr das Schweigen zwischen ihnen verhasst war, und ihr war auch verhasst, dass sie in seinem unergründlichen Gesichtsausdruck nichts lesen konnte. »Ich weiß, dass ich fünf wunderbare Frauen in meinem Leben habe. Die Farm. Meine Malerei und die Kaleidoskope, beides Dinge, die ich liebe. Ich habe in der von mir gewählten beruflichen Laufbahn einige Erfolge erzielt, aber es wird mir niemals genügen, solange Jean-Claude La Roux nicht so sehr gelitten hat, wie er meinen Bruder hat leiden lassen.«
    Das Ticken der Standuhr wurde lauter. Das Herz hämmerte in ihrer Brust, bis sie jeden seiner dumpfen Schläge in ihren Ohren hören konnte. Bis zu dem Moment war ihr nicht klar gewesen, wie sehr er sie bereits verändert hatte. Ihr Gelächter war echt. Sie fühlte sich unbeschwert in seiner Gesellschaft und sie fühlte sich glücklich. Seit dem Tod ihres Bruders war sie nicht mehr wirklich glücklich gewesen und vielleicht war sie ein wenig wütend und schuldbewusst, weil sie tatsächlich glücklich sein konnte. Welches Recht auf Glück hatte sie, wenn Pauls letzte Stunden entsetzlich qualvoll gewesen waren?
    Sie weigerte sich, ihr Kinn zu senken oder ihren Blick von Thomas abzuwenden. Er stand vollkommen still da und ließ sie keinen Moment aus den Augen. Sie hatte ihm alles gestanden, um ihn zu retten – oder um ihn zu vertreiben, damit sie ihre Wut und ihren Hass wieder in sich verschließen und in einem finsteren Studio einsperren konnte, wo niemand jemals ihr beschämendes Geheimnis erfahren

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