Hütet euch vor Harry
sie geworden war.
Dienerin und Hexe!
Nach Jahren war sie von dem furchtbaren Schicksal erlöst worden, aber da war noch etwas zurückgeblieben, das sie zu Beginn nur widerwillig akzeptieren konnte.
Jetzt hatte sie sich daran gewöhnt, daß sie gewisse Hexenkräfte besaß, die wie eine schwache Kerzenflamme in ihr schlummerten und geweckt werden konnten, falls bestimmte Ereignisse eintraten, die bis an die Grenze ihrer psychischen Kraft gingen.
Jane hoffte sehr stark, daß sie diese alten Hexenkräfte aktivieren konnte, sollte sie Harry irgendwann gegenüberstehen, denn sie war der Meinung, daß es allein nur ihr gelingen konnte, dieses Wesen zu stoppen.
Im Augenblick hatte sie Pech. Zwar konzentrierte sie sich auf die Kräfte, aber die blieben weiterhin in einem tiefen Schlummer. Sie konnte damit noch nichts anfangen.
Kam er, kam er nicht?
Es war eigentlich kein direktes Kommen, es war dieser böse, gefährliche Hauch, den die Gestalt namens Harry mitbrachte.
Einige Male schloß sie die Augen, erschrak dann über sich selbst und öffnete sie wieder.
Sie wollte wachbleiben, sie wollte auf keinen Fall einschlafen. Sie mußte sich seinem Einfluß stellen, falls er über sie kommen sollte. Die Zeiger der Uhr bewegten sich bereits auf Mitternacht zu, als die Natur ihr Recht forderte und Jane Collins auch nicht dagegen ankämpfen konnte.
Sie schlief ein. So übergangslos, daß es ihr vorkam wie ein Wegtauchen in einen tiefen Schlund. Es war vorbei.
Kein Harry, keine Gefahr, nur der Schlaf…
Aber der dauerte nicht lange. Zudem war er ziemlich unruhig. Ein im Zimmer stehender Beobachter hätte genau mitbekommen, wie sich Jane Collins unruhig auf dem Bett hin und her bewegte. Sie konnte einfach nicht auf dem Rücken liegen bleiben und warf sich von einer Seite auf die andere. Im Schlaf schwitzte sie, obgleich sie keine bewußten und nachvollziehbaren Alpträuem erlebte. Doch es war ein fremder Zwang, der in sie hineinkroch und von ihrem Körper Besitz ergriff.
Plötzlich schlug Jane die Augen auf!
Ein feiner Streifen Mondlicht hatte seinen Weg durch das Fenster gefunden. Er versilberte einen Teil des Zimmers und auch das Bett der Detektivin in Kopfhöhe. In ihren offenen Augen ließ er sich nieder und gab ihnen einen schwachen Silberglanz.
Sie war wach, aber sie bekam es selbst nicht mit, schaffte es nicht, diese Tatsache zu realisieren, denn sie fühlte sich noch immer so, als würde sie schlafen.
Das stimmte nicht.
Jane bewegte die Augen, öffnete den Mund, und ein langer Atemzug drang über ihre Lippen. Dann richtete sie sich auf.
Sehr abrupt, blieb aber sitzen, stemmte die Hände rechts und links des Körpers auf das Bett und wartete ab.
Nichts war passiert.
Aus dem anderen Zimmer hörte sie keinen Laut. Dort war die Stille wie Blei, und es kam ihr fast so vor, als hätte Lady Sarah Goldwyn den Raum dort verlassen.
Jane blieb in der sitzenden Haltung, weil sie sich so besser umschauen konnte.
Sie lebte mittlerweile schon ziemlich lange bei Sarah Goldwyn. Es war ihr alles so vertraut geworden, sie fand sich selbst in der dunkelsten Finsternis zurecht, aber in diesen Augenblicken kam ihr das Zimmer fremd vor. So als würde es in einer anderen Welt stehen, in der zahlreiche Gefahren lauerten.
Sehen konnte sie nichts.
Dafür fühlen.
Es fing an mit ihrem Zittern, gegen das sie nichts tun konnte. Gleichzeitig bildete sich auf den Armen, dem Gesicht und eigentlich überall am Körper eine Gänsehaut, die wie eine kalte Decke über alles hinwegkroch. Sie atmete mit offenem Mund. Kälte durchströmte ihren Körper, sie spürte auch die Hitze, und dann kam die Angst.
Sie war kaum zu beschreiben, sie war einfach schrecklich, sie hatte tausend lange, gefährliche Arme, die in ihren Körper krochen und ihn bis in den letzten Winkel ausfüllten.
Angst und Panik…
Beide bildeten eine Gemeinsamkeit, beide überschatteten ihren eigenen Willen…
Jane zitterte noch stärker. Sie schwitzte unter dem doch recht dicken Stoff des Jogging-Anzuges. Auf ihrer Stirn lag der Schweiß wie ein glänzender Spiegel. In den Augen flackerte es, als würde sich das Mondlicht dort zuckend bewegen.
Wo steckten sie?
Wo lauerten die Gefahren, und wo verbarg sich der Unheimliche, der sie leitete? Harry!
Es war wie ein Gongschlag, der in ihrem Gehirn aufdröhnte, als sie an diesen Namen dachte. Er hatte sie hart getroffen, und sie wußte plötzlich, wem sie diese Angst zu verdanken hatte. Und weil sie es so genau wußte,
Weitere Kostenlose Bücher