Hütet euch vor Harry
meinem Plan lassen. Niemand kann mich stoppen, selbst du schaffst es nicht, Jane.«
Er lachte widerlich, und Jane kam sich vor wie von Klammern umfangen.
Sie wollte aus diesem verdammten Gefängnis ausbrechen, aber sie schaffte es nicht. Harry war stärker.
Er hielt sie fest. Er gab ihr keine Chance. Er war wie das Grauen, war wie ein Tuch, das über alles hinwegflatterte, was in seine unmittelbare Nähe geriet.
Schlimm…
Noch immer war die Kälte da. Aber sie brachte nicht allein die niedrigen Temperaturen mit, es war noch etwas anderes, das Jane so malträtierte.
Das Wissen um das Böse, ein Wissen, daß sie es in dieser Nacht nicht besiegen konnte.
Und Harry bewies ihr, wie grausam er war, wie sehr er mit ihr spielte und wie leicht es ihm gefallen war, ihre alten Hexenkräfte zu unterdrücken.
Etwas berührte ihr Gesicht!
Zuerst so weich wie eine Feder, und sie empfand es nicht einmal als unangenehm.
Das aber blieb nicht so, denn der Druck nahm zu. Er verteilte sich auf den Wangen, strich über die Stirn hinweg, den Nasenrücken, erreichte das Kinn, glitt wieder zu den Wangen hin und nahm eine messerartige Schärfe an.
Die Begriffe Messer und Feder faßte Jane Collins zu einem einzigen zusammen. Es war ein verrückter Gedanke, den sie jedoch nicht fortschieben konnte.
Federmesser!
Genau das war es. Dieser Angriff aus dem Nirgendwo, dem Geisterreich, war wie von einem Federmesser geführt worden. Erst sanft, streichelnd, dann nahezu scharf und brutal.
Jane hatte das Gefühl zu vereisen, als plötzlich ihre Haut aufriß. Ein scharfer Schnitt trennte das Fleisch an der Wange auf, und es entstand eine Wunde, aus der Blut quoll.
An der linken Wange war die Haut eingerissen worden. Jane konzentrierte sich darauf und vergaß, auf die andere Gesichtshälfte zu achten.
Und dort erwischte es sie auch.
Wieder dieser scharfe Schnitt, dieser zuckende, brutale Schmerz und das aus der Wunde rinnende warme Blut, das sich auf ihrem Gesicht verteilte.
Eigentlich wollte sie schreien und sich gegen die Attacken wehren, doch dazu kam es nicht.
Jane Collins war nicht mehr sie selbst. Sie fühlte sich wie in einem Gefängnis, dessen Gitterstäbe immer näher zusammenrückten, als sollte sie zerquetscht werden.
Und der dritte Schmerz erreichte sie.
Scharf und brennend auf ihrer Stirn. Wieder hatte sie nichts gesehen, kein Messer, vielleicht einen scharfen Schatten, aber ohne Waffen, ohne irgendwelche Federmesser oder Rasierklingen, denn nur solche Messer hinterließen diese Wunden.
Harry kicherte. Ein Nichts, das kichern konnte, das eine böse Botschaft überbracht hatte.
Es war wieder ein Geräusch, das Jane die Angst durch den Körper jagte, denn es hörte sich so kalt, so siegessicher und gleichzeitig auch furchtbar an.
Sie wollte die Hände anheben und gegen ihre Wunden pressen, doch dazu fand sie nicht die Kraft. Statt dessen rann das Blut weiterhin an ihrer Haut entlang und tropfte auf die Bettdecke, die schon sehr bald von einem schaurigen Muster gesprenkelt war.
Noch ein letztes schrilles Lachen, dann verschwand Harry wieder. Jane, die ihren Blick auf die Tür gerichtet hatte, sah innerhalb des Lichtscheins im Flur noch einmal dieses Zittern.
Dann war sie allein…
Es gab keinen Harry mehr.
Für diese Nacht war er Erinnerung. Doch eine, die länger bleiben würde, denn in ihrem Gesicht spürte Jane die Schmerzen, als hätte man ihr Säure auf die Haut gekippt.
Sie schaffte es endlich, sich herumzudrehen und aufzustehen. Ihre Knie zitterten und standen dicht vor dem Nachgeben, als sie auf das Bad zuschritt.
Was sie erlebt hatte, war Irrsinn, aber sie konnte nicht anders und mußte sich einfach im Spiegel anschauen.
Das grelle Licht schmerzte in ihren Augen. Sie hielt sich am Waschbecken fest, sah das Blut, die Wunden und war plötzlich erleichtert darüber, daß sie nicht größer waren.
Nur sehr schmale, kleine Einschnitte, die schnell verheilen würden. Jane suchte im Schrank nach, fand die blutstillende Watte und wusch zunächst ihr Gesicht ab, bevor sie das Zeug auf die drei Wunden im Gesicht drückte.
Etwas später suchte sie die kleinen Pflasterstücke aus einer Dose und verklebte die Wunden. Jetzt ging es ihr besser.
Allerdings nur äußerlich, im Innern sah es ganz anders aus. Da regierte noch immer die Angst – auch davor, daß dieses Wesen irgendwann zurückkehren konnte.
Hütet euch vor Harry!
Jane fiel ein, daß sie es ihren Freunden gesagt hatte. Dabei hätte sie selbst achtgeben
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