Hütet euch vor Harry
dann töte ihn…«
William richtete sich auf. Er sah aus, als wäre er aus einem Traum erwacht. Aber die Frau mit den struppigen Haaren, dem sündigen Körper und den wilden Augen, die er vor sich stehen sah, war leibhaftig und weder eine Traumgestalt noch eine Einbildung.
Er dachte an ihren Körper mit den schwellenden Formen und erinnerte sich, noch nie eine solche Frau besessen zu haben.
Getötet hatte William schon oft, sowohl Tiere als auch Menschen. Und jetzt hetzte sie ihn wieder auf.
»Wie willst du ihn umbringen? Ich kann dir ein Messer geben, aber du kannst ihn auch erschlagen, das ist mir egal.« Sie ballte die rechte Hand zur Faust und stieß sie in die Luft. »Für mich ist nur wichtig, daß er nicht mehr lebt und uns stören kann.«
William nickte. Er schwitzte, er stank. Er strich sein verklebtes Haar zurück, atmete heftig und brauchte erst einmal eine Zeit der Besinnung, um seine Gedanken zu ordnen.
Die gab ihm die Frau nicht. »Hast du dich entschieden, wie du ihn töten willst?«
»Gib mir das Messer!«
Ein triumphierendes Lächeln umspielte ihre Lippen. Es zeigte, wie zufrieden sie war. »Ja«, lobte sie ihn, »das ist gut. Damit bin ich voll und ganz einverstanden. Wenn du dann aus dem Keller zurückkehrst, gehöre ich dir.«
»Danke.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du brauchst dich noch nicht zu bedanken. Das regeln wir später. Erst werde ich dir etwas geben.« Sie drehte sich um und zerrte eine Schublade auf, die klemmte. Aus ihr holte sie ein Messer. Sie nahm es für alles. Um Fleisch und Geflügel zu schneiden, aber auch, um Pflanzen zu kappen, und sie lächelte das Messer mit der breiten Klinge an.
Als sie damit herumfuhr und es William präsentierte, schreckte dieser zusammen.
»He, was ist? Hast du Angst?« fragte sie.
»Nein, ich…«
»Er ist doch nur ein Junge von vierzehn Jahren. Denk daran, welch eine Belohnung dir zusteht, wenn du es getan hast. Dann hat die Spielerei ein Ende, dann ist alles anders geworden, dann werden wir beide den Spaß unseres Lebens haben. Klar?«
»J… ja…«
Sie reichte ihm das Messer. William bewegte die Lippen, ohne etwas zu sagen. Er schluckte, er holte tief Luft. Die Klinge verschwamm vor seinen Augen, aber er dachte auch an die Worte der Frau, die ihm den Himmel auf Erden versprochen hatte.
Endlich würden sich seine Träume erfüllen. Alles andere war für ihn unwichtig.
Er nahm das Messer entgegen.
»Gefällt es dir?«
William nickte. An seinem Hals rannen kleine Schweißperlen hinab. Sie hinterließen auf der dünnen Haut feuchte Bahnen. Die Frau trat vor. Eine Hand legte sie auf seine Schulter. Das Haar stand ihr struppig vom Kopf ab, ihre Haut war gerötet, die Augen schienen in einem unheimlichen Feuer zu brennen. »Bald gehöre ich dir, William, sehr bald schon. Räum dieses letzte Hindernis aus dem Weg, und ich werde dir den Himmel auf Erden bereiten.«
»Ich mache es, Liebste.«
Sie hatte nichts dagegen, von ihm Liebste genannt zu werden, und lächelte sogar.
»Geh jetzt. Du kennst den Weg. Ich habe ihn dir oft genug gezeigt, nun weißt du auch den Grund.«
»Was wird er sagen?«
»Nichts.« Unwillig schüttelte sie den Kopf. »Er hat nichts zu sagen. Ich habe ihm erklärt, daß er den Keller aufräumen soll. Ich schicke ihn oft weg, und du brauchst auch keine Furcht davor zu haben, daß du ihn nicht findest, denn im Keller brennt ein Öllicht. Es reicht aus, daß du dich orientieren kannst. Du siehst also, ich habe für alles gesorgt, ich habe alles gut geplant.«
Das hatte sie. Und wäre William intelligenter gewesen, hätte er auch mißtrauisch werden und darüber nachdenken müssen, daß ihm eventuell das gleiche Schicksal bevorstand wie dem Jungen. Noch einmal wagte er einen Einwand.
»Er ist dein Sohn.«
»Das ist er nicht!«
»Aber…«
»Kein aber, William, ich habe ihn aufgesammelt. Ich habe ihn zu mir ins Haus genommen, das ist alles. Er war ein Straßenkind, wie es viele davon gibt. Er heißt Harry, mehr nicht. Einfach Harry. Du brauchst dich vor ihm nicht zu fürchten.«
»Das tue ich auch nicht.«
»Wo ist dann das Problem?« Sie breitete die Arme aus und lachte ihn breit an. »Ich meinte nur.«
»Nichts meinen, William, nur etwas tun. Alles andere kannst du vergessen.« Sie hauchte ihm einen Kuß zu. »Denk daran, der Keller wartet auf dich.«
»Das weiß ich.« Er drehte sich um, er tat es schwerfällig, als müßte er zunächst noch nachdenken. In seiner Kehle saß ein Würgen, aber das sagte
Weitere Kostenlose Bücher