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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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ihren Leinenturnschuhen, und Irmi hätte sie nun sicher missbilligend angesehen. Denn natürlich hatte Kathi Bergschuhe im Büro. Und Tante Irmi hätte sie bestimmt darauf hingewiesen.
    Irmi fehlte ihr. Weniger als Schuhberaterin, aber just in diesem Moment. Irmi hatte einen untrüglichen Instinkt, sie sog diese ersten Bilder in sich auf. Sie erspürte Schwingungen, merkte sich Details. Sie war intuitiv und genau. Kathi wusste, dass ihr diese Gabe fehlte ebenso wie Irmis jahrelange Erfahrung. Als sie sich nun zum Toten hinunterbückte, fühlte sie sich allein. Trotz der kleinen Invasion hier im Wald.
    Auf den ersten Blick fehlte dem Mann nichts. Es gab keine Anzeichen von Fremdeinwirkung: kein Blut, keine Spuren von Schusswaffengebrauch, keine entstellten Gesichtszüge. Der Mann war um die sechzig, schätzte Kathi. Ein schmales Männchen, nicht sonderlich groß. Er trug eine kurze Lederhose, graue Strümpfe, Bergschuhe, Hemd und Janker. Eigentlich recht gepflegt für einen Waldausflug. Sein grüner Hut war zur Seite gerollt. Die Farbe biss sich unangenehm mit dem Grün des Waldbodens. Auch der Hut sah aus, als wäre er für festlichere Anlässe gedacht.
    Kathi wandte sich an die Schwammerlsammler: »Sie haben unterwegs sonst nichts gesehen? Kein Fahrzeug? Oder Werkzeuge, die darauf hindeuten würden, dass der Mann auch beim Schwammerlsuchen war?«
    »Nein, gar nichts«, sagte der Schwager. Die anderen beiden schüttelten ebenfalls den Kopf.
    Kathi blickte sich ratlos um. »Kennen Sie den Mann?«
    Nun blickten die drei Herrschaften doch etwas irritiert aus der Wanderwäsche.
    »Warum sollten wir ihn kennen? Er lag hier einfach so rum. Sieht einheimisch aus«, meinte der Schwager.
    »Kann auch ein Touri sein, der sich als Einheimischer verkleidet hat. Davon leben die Trachtengeschäfte«, brummte Kathi.
    Ein Trachtler lag im Walde, ganz still und stumm. Wahrscheinlich ein Herzinfarkt. Kam schon mal vor bei Männern dieses Alters. Kathi beschloss, das Terrain der Spurensicherung zu überlassen, und schickte Andrea mit den drei Wanderern zurück zum Bus, wo sie im mobilen Büro die Protokolle aufnehmen würde.
    Während Kathi auf den Arzt wartete, kletterte sie das kleine Stück zum See hinauf. Das überdimensionale Kreuz ragte in den Himmel. Es war ein Kreuz wie das im Passionsspieltheater in Oberammergau. Ein Kreuzigungskreuz. Kathi fühlte sich unwohl, ohne recht zu wissen, warum. Neben dem Kreuz stand ein Schild mit der Aufschrift Meditationsweg » Gedanken bergauf! «. Kathi begann zu lesen.
    Es ging ums Unterwegssein. Zitate aus dem Lukasevangelium. Die Jünger auf dem Weg nach Emmaus. Emmaus? Kathi glaubte sich zu erinnern, dass einer der Jünger dorther stammte. Sie hatte dem Soferl kürzlich mal bei den Religionshausaufgaben geholfen.
    Die Gedanken des Toten gingen nun nicht mehr bergauf. Irmi musste kommen, das spürte Kathi. Irmi musste diesen seltsamen Ort sehen. Kathi glaubte zwar nicht an Gespenster, aber ihre innere Unruhe wuchs. Sie schoss einige Fotos von dem Kreuz, an dessen Fuß ein paar Blumen lagen und ein Plüschpferdchen, das ziemlich nass und zerrupft aussah. Soferl hätte es sicher mit nach Hause genommen. Um es zu trocknen.
    Als der penetrant sportliche Arzt mit Notfallrucksack auf einem Mountainbike eintraf, waren Kathis Füße endgültig durchweicht und ihre Laune auf dem Tiefpunkt. Sie war wütend auf sich selbst, weil sie die unbestimmten Gefühle nicht einordnen, ihre Gedanken nicht kanalisieren konnte.
    Der Arzt war mittlerweile zu dem Toten hinübergegangen. Schon nach einem kurzen Blick rief er: »Frau Reindl, kommen Sie grad mal?«
    Kathi trat näher.
    »Ich kenn den Mann«, sagte er.
    »Bitte?«
    »Das ist ein Lifterer«, erklärte er. »Ich bin auch bei der Bergwacht. Ich seh ihn im Winter ab und zu am Adamswiesenlift. Auf den Namen komm ich jetzt nicht.«
    Ein Lifterer. Plötzlich hatte Kathi eine Eingebung und brüllte: »Sailer!«
    »Ja«, schallte es retour. Sailer hatte sich bisher um eine Absperrung bemüht. Kathi hatte ihn gewähren lassen, obgleich mit allzu vielen Passanten an diesem regnerischen Montag eigentlich nicht zu rechnen war.
    »Hierher, Sailer!«
    Sailer schlappte den Hang hinunter.
    »Kennen Sie den? Sie kennen doch jeden!« Kathi sah ihn erwartungsvoll an.
    »Ja.«
    »Was ja?«
    »Ich kenn jeden. Also viele.«
    »Sailer, jetzt kriegen Sie mal die Zähne auseinander. Kennen Sie den da? Der da liegt.« Kathi beherrschte sich nur mühsam.
    »Ja.«
    Der Arzt gab ein

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