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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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geht auch zum Stroafn.« Kathi klang so, als könne sie sich nur schwer vorstellen, wie man freiwillig hinter einem dicken Pferdehintern durch den Wald stolpern und mit dem Vierbeiner lange Bäume aus dem Gehölz ziehen konnte.
    »Dann haben die ja auch Pferde?«
    »Zwei Hengste. Stehen auf einer Sommerweide. Sagt die Nachbarin.«
    Gut, dann brauchten die auch keine tägliche Pflege, zumal sich Irmi sowieso fragte, ob so mancher Kaltbluthalter überhaupt wusste, wo er welche Anzahl von Pferden auf entlegenen Wiesen verteilt hatte. Wahrscheinlich zählten die jetzt erst im Herbst wieder durch, wenn aufgestallt wurde. Kurz vor den Leonhardifahrten, wenn die alljährliche Panik ausbrach und die Hufschmiede im Akkord arbeiten mussten. Monatelang waren die Pferde ohne Hufpflege auf der Weide versumpft, und nun mussten ihnen die zu Schnabelschuhen verwachsenen Hufe erst mal wieder in Façon gebracht werden.
    »Andere Verwandte?«, hakte Irmi nach.
    »Ja, ein Bruder in Garmisch. Eine Schwester in Kanada. Aber da dacht ich …«
    »Was?«
    »Ehrlich gesagt: Ich hab gedacht, ich wart lieber auf dich. Ich mein, vermisst hat ihn ja keiner, dann wird’s auch nicht so pressiern.«
    Typisch Kathi! Aber natürlich hatte sie in gewisser Weise recht. Trotzdem packte Irmi in Hochgeschwindigkeit. Lissi auch. Die war natürlich nicht zu überzeugen, alleine dazubleiben.
    »Kriegst du das zu Hause hin?«, fragte Irmi und sah Lissi prüfend an. »Ich lass dich nur mitfahren, wenn du gelobst, feierlich gelobst, bloß keine Beichte abzulegen.«
    »Ich gelobe«, sagte Lissi. »Ehrlich, Irml, ich will mein Leben nicht zerstören. Ich hab es begriffen. Ehrlich. Und so was mach ich nie wieder. Ich hab da nicht die Nerven dazu. Rein gar nicht.«
    Der Himmel war wolkenverhangen, als sie losfuhren. Es war kühl, die Luft klar und rein. Irgendwo hatte Irmi gelesen, dass Oberstaufen der einzig nebelfreie Ort im Allgäu sei. Aber es gab ja auch Werdenfelser, die behaupteten, dass es in Garmisch keine Stechmücken gebe. Bloß draußen bei ihr im Murnauer Moos.
    Irmi hatte Heimweh: nach dem Weitblick übers Moos, nach den Kühen, nach Wally und Kater und auch nach ihrem Bruder. Bernhard und sie waren schlimmer als ein altes Ehepaar. Zwischen ihnen hatte es eine vorsichtige Annäherung gegeben, seit ihr eigener Bruder im letzten Jahr zum Verdächtigen in einem Mordfall geworden war. Ihre Welt war so verzahnt, Beruf und Privatleben ließen sich gerade in letzter Zeit so schwer trennen. Und nun das Gespenst Martin.
    Irmi hatte vor ihrer Abreise den Allgäuer Kollegen angerufen und ihn informiert, dass sie nach Hause müsse. Er hatte ihr versprochen, sie in jedem Fall auf dem Laufenden zu halten. »Mir hond den Bericht von de Pathologen no it. Wenn er do isch, meld i mi.« Irmi gab ihm alle ihre Telefonnummern, und er bemerkte scherzhaft: »Falls ich doch noch zur Überzeugung gelange, dass Sie das selber gewesen sind mit dem Herrn Maurer.«
    Nein, sie war es nicht gewesen, sie hätte sowieso viel drum gegeben, dass Martin nicht wieder jählings in ihr Leben getreten wäre.
    Irmi hatte bei ihrem kurzen Aufenthalt den Eindruck gewonnen, dass die Allgäuer rühriger waren – und offener. Nicht so ein brotneidiges Volk wie die Werdenfelser. Weniger Kirchturmpolitik, weniger Missgunst, mehr an einem Strang ziehend. Während sie am Alpsee entlangfuhren, beschloss sie wiederzukommen, ganz ohne Schrothkur, vielleicht mal mit ihm .
    Er war momentan in Asien. Hatte eine SMS geschickt, dass er merkwürdige Sachen essen müsse und viel lieber mit ihr zusammen in einem bayerischen Biergarten vor einem Obatzdn säße. Er, der Saupreiß, war wahrscheinlich der größte Obatzdn-Fan im Orbit. Er bestellte die Camembertcreme immer und überall. Wenn er mal da war. Meistens war er weit weg, heute besonders weit.
    Lissi hat wohl doch der Mut verlassen, denn sie bat Irmi, über Reutte nach Garmisch zu fahren, damit sie in Grainau ihre Cousine besuchen könne. Lissi wollte ihr Heimkommen hinauszögern, keine Frage. Irmi hatte bloß die Stirn gerunzelt. Und Lissi schließlich bei der Cousine abgesetzt.
    Es war kurz nach halb sechs, als sie im Taj Mahal eintraf und sich erst mal ein Mango-Lassi bestellte. Kathi würde wie immer zu spät kommen. Irmi grinste. Es war gut, dass es Dinge im Leben gab, die sich nie änderten.
    Um kurz vor sechs traf Kathi ein. Sie wirbelte ins Lokal und riss dabei mit ihrem Rucksack einen Stuhl um, den der Kellner mit einem nachsichtigen Lächeln

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