Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
rief Kathi.
    Dabei hatte ihr Kollege natürlich recht. Es hatte den ganzen Sonntag geschüttet, darum war sie mit Sven ja auch den ganzen Tag im Bett gewesen … Nein, jetzt musste sie sich wirklich zusammenreißen. Momentan nieselte es, Wolken zogen über den Himmel, ab und zu zeigte sich die Alpspitze, verhüllte aber ihr Haupt gleich wieder.
    »Wie kommen wir hinauf?«, fragte Kathi. »Die Bahn läuft ja nicht, oder? Was ist mit den anderen Bahnen?«
    Die Dame von der Kasse mischte sich schüchtern ein. »Laufen auch nicht, wegen der Revision.«
    »Na, dann werden die wohl mal die Motoren anwerfen müssen«, meinte Kathi.
    Die Frau starrte sie mit geweiteten Augen an. »Wegen Ihnen schalten die doch die Bahn nicht an. Die lassen wegen ganz anderen die Bahn nicht laufen. Und wenn, dann kostet das mindestens dreitausend Euro, jawohl!«
    Kathi war kurz davor, eine Schimpftirade über die Bahnbetreiber abzulassen, als sich der Hase einschaltete. »Wir fahren mit den Bussen hoch. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir unsere ganzen Utensilien in Rucksäcke verpacken?«
    »Kommen wir da mit zwei Bussen hoch?«, erkundigte sich Kathi.
    »Sicher, auf dera Stroß ist doch ein Verkehr wie am Stachus«, brummte Sailer.
    Kathi war unklar, von welcher »Stroß« der Kollege sprach. Aber bitte, dann sollte Sailer eben fahren.
    »Sie haben aber keine Erlaubnis«, bemerkte die Kassenkraft. »Ein Erlaubnisschein kostet …«
    »Gute Frau, es kostet Sie gleich Ihren Job, wenn Sie weiter das Maul so weit aufreißen.«
    Auweh, da hatte sie natürlich wieder mal übers Ziel hinausgeschossen. Kathi spürte Irmis Blick im Rücken, obgleich diese im fernen Oberstaufen weilte.
    Und so fuhr der Konvoi aus zwei Bussen los, hinauf zur Aulealm und weiter zur Tonihütte. Bis dahin waren ihnen bereits drei Jeeps entgegengekommen, sie hatten zwei Mountainbiker überholt, und Kathi fragte sich, wie man so bescheuert sein konnte, sich bei so einem Wetter einen schlammigen Weg hochzukämpfen.
    »Die Tonihüttn hoaßt jetzt Hüttenresort. Lauter Jugendliche springen da umeinand. Des g’hört so einem Allgäuer, der hot auch andre Gruppenhotels im Allgäu draußen.« Sailer klang angewidert. Offen blieb, was schlimmer war: die Jugendlichen oder das Eindringen von Allgäuer Konzepten ins Werdenfelser Land.
    In weiten Serpentinen stieg die Straße an. Sie fuhren unter der Kreuzjochbahn durch, querten die Kandahar. Hier hatten Irmi und Kathi einst den toten Ernst Buchwieser mit seinem neckischen Loch im Kopf am Pistenrand besuchen dürfen. Was war bloß los auf diesem Berg? Kathi hoffte inständig, dass sich der Tote nicht wieder als Naturschützer oder womöglich als Olympiagegner oder gar beides entpuppen würde. Speichersee klang gar nicht gut. Wenn das mal nicht so ein Beschneiungs- und Skisportverhinderer war!
    Die Fahrt zog sich hin, zumal sich ihnen irgendwann ein Grader und zwei Bagger in den Weg stellten. Angetreten, die Straße zu befestigen, richteten die im Matsch eher noch mehr Schaden an – große Brocken lagen im Weg. In Sailer schienen unerkannte Talente zu schlummern: Elegant umschiffte er die Brocken. Schließlich landeten sie auf einem Almboden vor zwei Hütten und der Talstation des Kreuzwankllifts.
    »Da unten ist der See«, sagte Sailer und wies nach rechts. Sie stiegen wenige Meter auf, links lag die Hausbergstation und vor ihnen der Speichersee. Am anderen Ende stand ein Mann neben einem Kreuz und winkte ihnen zu.
    »Der Schwager«, erklärte Wieser.
    Er nieselte noch immer. Sie eilten einen Hang hinunter und am See entlang. Das große Holzkreuz kam immer näher und verlieh der Szenerie etwas Bizarres. In dem Moment, als sie den Schwager erreicht hatten, riss der Himmel auf. Die Sonne schickte ihre Strahlen mitten in den See und bohrte sich regelrecht ins Wasser. Wenig später wurde sie wieder von einer Wolke verschluckt.
    Es war definitiv bestes Schwammerlwetter. Farne wuchsen mannshoch, der Boden war moosig und das Grün so unwirklich, dass man spontan an eine Filmkulisse dachte. Für ein Fantasy-Spektakel oder einen Räuberfilm wäre das eine perfekte Location, dachte Kathi.
    Die Gattin des Exfeuerwehrmanns hockte im Nieselregen auf einem der Baumstümpfe, einen Korb mit Pilzen neben sich. Sie grüßte freundlich und wirkte gefasst. Die drei älteren Leute schienen das Leben so zu nehmen, wie es eben kam.
    Der Grund des Auflaufs lag in einer Kuhle, umgeben von Reisig. Kathi fluchte. Sie hatte bereits patschnasse Füße in

Weitere Kostenlose Bücher