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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Größe. Ihr Gesicht wirkte klein, jung und verletzlich.
    Irmi und Kathi gingen hinaus. Es war dunkel geworden und kalt.
    »Und nun?«, wollte Kathi wissen.
    »Gehen wir heim. Was willst du momentan tun? Außerdem solltest du ein Erkältungsbad nehmen. Und dann ab ins Bett. Wir sehen uns morgen.«
    Als Irmi zu Hause vorfuhr, brannte nur das Hoflicht. Bernhard war sicher ins Wirtshaus zum Essen gegangen. Er wusste ja auch nicht, dass sie zurück war.
    Sie ging ins Haus. Im Korb richtete sich Wally mühsam auf und versuchte, mit dem Schwanz zu wedeln, doch das fiel ihr schwer. Sie schwankte ein wenig.
    »Wally, altes Haus.« Irmi bückte sich zu ihr hinunter und kraulte sie. Wally magerte immer mehr ab, sie war nun einmal uralt. Auch der Kater kam und strich um ihre Beine.
    Irmi machte sich ein Bier auf und saß einfach nur so da. Verdrängte alle Gedanken an Martin. Dachte an Lissi und hoffte inständig, dass die durchhalten würde.
    Um neun kam Bernhard.
    »Schwesterchen, wolltest du nicht länger schrothen?«, fragte er lachend.
    »Ach, nicht unbedingt. Kathi hat mich abgerufen, es gab einen Toten am Hausberg.«
    »Echt?«
    »Ja, echt, mehr weiß ich momentan auch nicht.« Wie viel mehr sie wusste, verschwieg sie. Vor allem den toten Martin.

6
    Sie hatte gut geschlafen in ihrem eigenen Bett. Gerade trank sie einen Kaffee, als das Handy läutete.
    Es war Kathi. Oder besser: Irmi nahm an, es könne sich um Kathi handeln. Das kehlige Geräusch musste eine menschliche Stimme sein. Nach einer Hustenattacke konnte man mit viel Mühe den Satz »Ich krieg fast keinen Ton mehr raus. Ich geh zum Arzt« extrahieren.
    »Gute Besserung, du hörst dich grauenvoll an. Bleib lieber daheim. Ich fahre zu Brigitte Fischer und meld mich dann bei dir.«
    Das erneute Krächzen konnte Zustimmung sein.
    Es war neun Uhr morgens und still rundum. Irmis Bergstiefel knirschten im Hof. Sie klopfte an die Tür. Nichts. Der Lkw stand noch im Hof, ein alter Golf ebenfalls. Brigitte war nirgends zu sehen. Sie öffnete die Stalltür und wurde von einem zweistimmigen Begrüßungskomitee empfangen. Im Dunkel entdeckte sie einen gewaltigen Kaltbluthengst und eine Goaß, die artistisch auf der Boxenwand herumturnte. Der zweite Hengst fehlte.
    Hinter ihr ertönte eine Stimme: »Die Brischitt ist mit dem Bubi im Holz. Sie hat gestern Nacht die Ros noch reingeholt.«
    In ihren Worten lag Missachtung. Man holte nicht mitten in der Nacht Pferde von irgendwelchen Koppeln und klapperte dann durchs Dorf. Die Stimme gehörte der Nachbarin – die natürlich auch vor Neugier platzte.
    »Was ist hier los? Stimmt es, dass der Xaver tot ist?«, erkundigte sie sich.
    »Woher nehmen Sie denn Ihr Wissen?«, erwiderte Irmi. Sie hatten Brischitt schließlich erst am Vorabend informiert.
    »Mein Mann hat einen Kollegen, und der ist in Garmisch bei der Zugspitzbahn, und der sagt des.«
    »Soso, ja, wenn der das sagt.« Irmi lächelte. »Und wo genau ist die Brischitt nun hin?«
    »Ich denk, bei der Ruine. Die tun Käferbäume aussi. Heuer san die Borkenkäfer ja wieder eine Plag.«
    »Vergelt’s Gott«, meinte Irmi, ging zu ihrem Auto, fuhr vom Hof und ließ eine völlig konsternierte Nachbarin zurück.
    Mit der Ruine musste die Veste Schaumburg gemeint sein. Als Irmi auf dem Wanderparkplatz ankam, stand da lediglich ein Auto mit Münchner Kennzeichen. Ein früher Wanderer wahrscheinlich. Auf der Kaseralm war sie auch schon lange nicht mehr gewesen, fiel ihr ein, aber momentan wollte sie Brigitte und Bubi finden.
    Sie folgte auf gut Glück einem Forstweg, der Reifenspuren aufwies. Nach etwa zehn Minuten erreichte sie einen alten, ramponiert aussehenden Pferdehänger mit offener Klappe. Wenn Bubi so groß war wie sein Kumpel zu Hause, dann hatte er sicher neunhundert Kilo und Hufe so groß wie Bratpfannen.
    Irmi schaute sich etwas ratlos um. Plötzlich knirschte es im Holz, Kettengerassel, eine Stimme. Die Manövrierbefehle »wiest« und »hott« für »rechtsherum« und »linksherum« ertönten, dann wieder ein Knirschen. Ein gewaltiger Kopf mit weißer üppiger Mähne erschien, gespitzte Ohren, dann rumpelte das gewaltige Pferd hinaus ins Helle. Ein Fuchs, der vor Schweiß glänzte. Ihm folgte ein Baumstamm, der sicher sechs Meter lang war. Hinter dem Tier manövrierte Brischitt, überraschend leichtfüßig überwanden beide die hohe Kante zwischen Waldebene und Holzplatz. »Hott!« Das Pferd wandte sich nach rechts, der Stamm lag in Position. Akkurat neben den anderen,

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