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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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die bereits dort lagerten.
    Brischitt würdigte Irmi keines Blickes. Sie zog die Stahlseile vom Stamm, dann erst sah sie Irmi an. »Und?«
    »Ich würde gerne nochmals mit Ihnen reden. Wie geht es Ihnen denn?«
    »Prächtig!« Und schon setzten sich Brigitte und Bubi wieder in Bewegung.
    Irmi hatte ihre liebe Not, den beiden zu folgen. Ihr war sonnenklar, dass das nichts für Zauderer oder Hobbylandwirte war. Sie hatte mal mit einem Freund und dessen Pferd gearbeitet. Verdammt, schon wieder eine Erinnerung an einen abgelegten Lover. Erneut die Erinnerung an das Versagen – zumindest im privaten Bereich.
    Das Pferd hatte einen flotten Schritt, und das Gelände stieg stetig. Brischitt hängte einen weiteren Stamm an und eilte mit Bubi davon. Sollte Irmi wirklich weiter hinterherstolpern? Sie sah sich um. Am Boden lagen weitere Stämme, die noch nicht entastet waren. Eine Stihl lag am Boden.
    Ein leises Lächeln glitt über Irmis Gesicht. Sie hantierte ein wenig, verstellte die Schalter. Nun galt es. Die Stihl klang gequält, und dann kam sie. Tuckernd erst, dann laut und gleichmäßig. Irmi begann, die Äste abzusägen, schnell und gezielt. Sie hatte Brischitt fast vergessen, als die sich vor ihr aufbaute und ihren Stiefel auf den Stamm stellte. Irmi richtete sich auf und schaltete die Motorsäge aus.
    »Wie haben Sie die denn anbekommen? Die war total abgesoffen«, brummte Brischitt.
    »Meine hat die gleichen Zicken. Ich hab da so einen Trick.«
    »Sie haben ’ne Motorsäge?«
    »Sogar zwei. Kann mich gar nicht entscheiden, welche mir die liebere ist. Die Stihl oder die Husqui. Wir, also der Bruder vor allem, haben eine kleine Landwirtschaft. In Schwaigen.«
    Nun lächelte Brischitt ein sehr kleines feines Lächeln, zog einen Rucksack heran, hockte sich auf den Stamm und drückte Irmi ein Messer und einen Ranken Speck und Brot in die Hand.
    »Schon gefrühstückt?«, fragte sie.
    »Nein, Sie aber sicher auch nicht. Wie lange arbeiten Sie denn schon?«
    »Seit der Dämmerung, aber ich hab eh nicht geschlafen.«
    Nein, bestimmt nicht. Sie hatte mitten in der Nacht ihre Pferde geholt. Irmi verstand sie nur zu gut. Tiere trösteten. Und nun arbeitete sie. Auch das konnte trösten.
    Irmi kaute am Speck und fragte schließlich: »Und Bubi, der steht einfach so da?«
    »Klar. Ein Pferd soll auf klare Befehle reagieren, und konsequent musst sein. Natürlich bleibt der stehen. Gefällt ihm. Frisst Tannenzweige, der dicke Trottel.« Das klang liebevoll. »Zwei Jahre hab ich mit ihm geübt, er ist erst sechs, aber er hat ein Kämpferherz. Es gibt doch nichts Schöneres, als mit einem Pferd zusammen zu sein.« Und so, als könne Irmi das als Nicht-Rosserer vielleicht nicht verstehen, schickte sie hinterher: »Es ist ja auch viel kommoder mit Pferd, anstatt ständig den Bulldog umzusetzen. Du bist viel flexibler.«
    Irmi nickte. »Ich hab einen Kumpel, der stroaft auch.« Von wegen Kumpel, genau genommen ein Mann, der kein Wort mehr mit ihr sprach.
    »Na ja, schwierig wird’s aber erst, wenn’s steil bergab geht oder das Gelände hängt. Dann musst du immer wieder links-rechts lenken, damit der Stamm nicht zu schnell wird oder wegdriftet.«
    »Eine ganz schöne Arbeit!«
    »Idealismus ist schon dabei. Auf lange Sicht und im Sinne des nachhaltigen Wirtschaftens ist ein Pferd aber auch billiger. Maschinen quetschen den Waldboden zusammen. Die Bodenporen werden verschlossen, die Wasserzuführung ist unterbrochen. Außerdem fügen Schlepper den Stämmen und Wurzeln Wunden zu, Fäulnisbakterien können eindringen, und der Baum stirbt. Das sind langfristig gesehen auch finanzielle Verluste.« Das war Brischitts Welt, ganz klar.
    »Stroafn mit dem Pferd und Lkw-Fahren, passt das zusammen?«, fragte Irmi mit einem Lächeln.
    »Alles zu seiner Zeit und da, wo’s passt. Aber mein Vater fand auch, das passt nicht.«
    Ihr Blick hatte sich verdunkelt. Dann starrte sie auf ihre Fußspitzen.
    »Wie war er denn, der Papa?«, fragte Irmi leise.
    »Stur, wie alle. Saustur. Im Prinzip a guade Haut. Mei, ohne die Mama hat die mildernde Hand g’fehlt. Er gibt nicht nach. Er ist ein Dogmatiker. War …«
    Was Irmi beachtlich an dieser Brischitt fand, war ihr klarer reger Geist. Auch die Wortwahl. Eine merkwürdige Truckerin war das.
    »Brischitt, wenn wir mal annehmen würden, Ihr Vater wäre auf seltsame Art zu Tode gekommen, hätte er denn Feinde gehabt?«
    Sie hatte den Kopf wieder gehoben. »Mord, meinen Sie?«
    »Wir wissen ja noch nichts.

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