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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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hörte zu und deckte die Muschel kurz ab. »Die Fischer-Tochter«, sagte sie leise. »Sie hat meine Nachricht gefunden. Was soll ich sagen?«
    »Dass wir gleich kommen.«
    Sie schlangen ihr restliches Essen hinunter. Vorbei war es mit den Vorsätzen vom lustvollen und bewussten Essen. So schnell torpedierte die Berufsrealität den guten Willen.
    Wenig später saßen sie im Auto.
    »Und du warst echt verheiratet?«, vergewisserte sich Kathi ungläubig.
    »Ja, wieso auch nicht? Ein Großteil der Menschheit war mal verheiratet. Bei den meisten liegt die Betonung auf war. Die wenigsten Ehen halten. Oder glaubst du, mich hätte keiner genommen?« Das kam schärfer rüber als nötig.
    Kathi sagte nichts. Stattdessen nieste und trötete sie wie Dumbo, der kleine Elefant. Und schwieg weiter eisern, bis sie den Hof erreicht hatten.
    Wirklich ein schönes Anwesen mit umlaufenden Holzbalkonen und einem weiten Dachüberstand. Auf dem Hofplatz stand ein Lkw mit Plane und Anhänger, auf der Hausbank saß eine junge Frau. Ein Mordsweib, groß, massig, die blonden langen Haare nachlässig zu einem Zopf geflochten. Eine freie hohe Stirn, hellblaue, verwaschene Augen. Sie trug unförmige Jeans und ein dreckiges T-Shirt. Neben ihr kam sich Irmi fast schlank vor. Dennoch wirkte die Frau nicht ungepflegt, nur desinteressiert an ihrem Äußeren.
    »Brischitt Fischer«, sagte sie und streckte Irmi die Hand hin. Irmi registrierte, dass im Führerhaus des Lkw eines dieser typischen Trucker-Namensschilder hing – mit der Aufschrift Brischitt.
    »Brischitt?«, fragte Irmi mit einem Lächeln.
    »Eigentlich Brigitte. Aber alle nennen mich Brischitt. Wollen Sie reinkommen?«
    Irmi und Kathi folgten ihr in einen breiten Gang und weiter in die Stube mit Kassettendecke und Kachelofen.
    »Schön!«, sagte Irmi.
    »Ist was mit meinem Vater?«, fragte Brischitt.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Er ist nicht da, und ich hab einen Anruf von einem seiner Freunde bekommen, dass er schon seit zwei Tagen nicht am Stammtisch war. Ob er krank sei? Also, was ist los? Sie müssen mich nicht ansehen wie ein waidwundes Reh. Hatte er einen Unfall? Ist er wieder besoffen Auto gefahren?«
    »Frau Fischer, wir müssen Ihnen leider sagen, dass Ihr Vater tot ist.«
    Brischitt Fischer saß eine Weile schweigend da. Dann fragte sie ungläubig: »Tot? Wieso tot?«
    »Er wurde am Hausberg in der Nähe des Speichersees gefunden. Sagt Ihnen das was?«
    Wie in Trance antwortete sie: »Wir haben ein paar Hektar Holz da oben.«
    »Er sah aber nicht so aus, als wollte er ins Holz«, sagte Kathi vorsichtig.
    »Was dann?«
    »Das wissen wir nicht. Haben Sie eine Idee, was er zwischen Bayernhaus und Speichersee gewollt haben könnte?«
    »Nein, keine Ahnung. Woran ist er gestorben?«
    »Das wissen wir auch nicht. Womöglich Herzinfarkt? War Ihr Vater krank?«
    »Krank? Der war sein Leben lang pumperlg’sund. Der hatte ein Herz wie ein Achtzehnjähriger. Kein Übergewicht. Sportlich. Ist Ski g’fahrn und Touren gangen. G’soffn hat er am Stammtisch, wie alle halt. Gehört zum Lebensstil, hat er immer gesagt, und dass er sonst ja hundertfünfzig werden würde vor lauter Gesundheit.« Nun liefen ihr doch einige Tränen über die Backen. Kathi reichte ihr ein Tempo.
    Tja, und nun war Xaver Fischer nur neunundfünfzig geworden. Und gesund gestorben.
    »Wo ist er jetzt?«, wollte Brischitt wissen.
    »In der Rechtsmedizin. Bei so einem unklaren Todesfall …« Kathi brach ab – nicht nur, weil sie einen Hustenanfall bekam.
    »… ist das Usus«, ergänzte Irmi. »Frau Fischer, haben Sie jemanden, wo sie hinkönnten? Oder eine Freundin, die Sie anrufen könnten? Familie?«
    »Papa war meine Familie.« Es klang komisch, wenn ein so großes Mädchen, das sicher Mitte oder Ende zwanzig war, »Papa« sagte. »Ich bin doch gerade erst zurückgekommen, und er war nicht da. Der Zettel an der Türe … und dann noch der Anruf von seinen Kumpels.« Sie begann stärker zu weinen.
    »Frau Fischer, es tut mir sehr leid«, sagte Irmi einfühlsam. »Das muss ein großer Schock für Sie sein. Wann sind Sie denn zurückgekommen?«
    »Ja, gerade eben. Ich war in der Nähe von Rom.« Sie unterdrückte ihr Schluchzen.
    Irmi sah sie genau an. »Kommen Sie allein zurecht? Wir würden morgen noch mal wiederkommen, wenn Ihnen das recht ist, um alle weiteren Fragen zu klären.«
    »Ja, ich komm zurecht. Ich wäre froh, wenn Sie mich allein lassen könnten.« Sie hatte sich erhoben, in ihrer ganzen imposanten

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