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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Nur mal angenommen. Hatte er Feinde?«
    Brigitte überlegte ernsthaft und lange. »Ich bin froh, dass Sie einen Hof haben«, sagte sie dann. »Und dass Sie von hier sind. Ihnen muss ich nix erzählen über Neid und Missgunst. Sie wissen, wie das ist mit den Vereinsmeiern, mit der Zugehörigkeit zu den richtigen Familien. Auch wie schnell sich ein Blatt wenden kann. Wie schnell man auf der falschen Seite steht. Sie wissen, wie das ist an den Stammtischen. Die einzige Chance, nicht mit Häme überzogen zu werden, ist es doch, als Letzter zu gehen. Nur so sind Sie sicher, dass keiner über Sie lästert.« Sie klang neutral, nicht zynisch. Irmi lächelte und wartete.
    »Außer den üblichen Querelen gibt es eigentlich nur die Hütte, über die sich Papa tierisch aufgeregt hat.«
    »Die Hütte?«
    »Papa arbeitet im Winter bei der Zugspitzbahn. Am Hausberg, meistens oben am Adamswiesenlift. Und da starrt er den ganzen Tag auf diese Skihütte.«
    »Welche?«
    »Na, die Franzhütte, die moderne, schicke, trendige Hütte, die so viel cooler ist als das Garmischer Haus. Mein Papa und so eine unbelehrbare Altherrenriege vom Skiclub bekriegen die Hüttenwirte seit Anbeginn. Ich hab es aufgegeben, mit ihm darüber zu streiten.«
    »Was ist denn so schlimm an der Hütte?«, fragte Irmi mit gerunzelter Stirn.
    »Sie sind erfolgreich. Anders. Jünger. Verlangen ein paar Zehnerl mehr.« Brischitt zuckte mit den Schultern.
    »Würden diese Hüttenwirte morden?«
    »Das kann ich echt nicht beantworten. Das Problem ist momentan, dass Papa ein paar Mal die Zufahrtsstraße blockiert hat.«
    »Wie? Ich denk, das ist eine Skihütte?«
    »Schon, aber die machen im Sommer sehr erfolgreich Events und Hochzeiten, und wenn da so ein Holzfahrzeug oder Stämme die Straße verstellen? Verstehen Sie? Ich mein, da stöckelt dann die Braut im weißen Kleid aus dem Bus und müsst theoretisch noch vier Kilometer laufen. Also ich würde mir den schönsten Tag des Lebens anders vorstellen – gut, ich tät auch nicht in so einem weißen Gewalle heiraten.«
    Irmi ließ das Bild einer Braut samt Hochzeitsgästen vor ihrem inneren Auge aufsteigen. Die dann über Stämme stiegen und hurtig zu Berge wanderten. Die Braut mit wehendem Schleier im Schnee, der ja auch gerne mal im Bergsommer niederrieselte. Das war eine Spur, eindeutig. Eine richtige Spur. Sofern Kathi Ergebnisse aus der Pathologie zu präsentieren hätte, die einen gewaltsamen Tod bedeuteten.
    »Und Sie konnten ihm das nicht ausreden?«
    »Nein, er hatte sich verrannt. Und dann bin ich ja auch nicht so oft da. Jeder lebt halt sein Leben.« Brischitt zuckte mit den Schultern.
    »Ich entschuldige mich jetzt schon mal im Vorfeld für die dumme Frage, aber ich komm da nicht mit. Sie sind begütert, Sie sind klug. Sie …«
    Brischitt unterbrach sie: »Ach, Sie meinen, warum fährt das Madl Truck?«
    »So ungefähr.«
    »Schauen Sie, ich bin gern in der Welt unterwegs. Nur hab ich für eine Stewardess nicht die richtige Statur.« Sie lachte. »Das Modebewusstsein auch nicht.« Sie schaute Irmi genau an. »Das reicht Ihnen immer noch nicht?«
    »Nicht so ganz.«
    »Ich hab begonnen, Forstwirtschaft zu studieren, bis die Mama starb. Genau genommen, bis ein knappes Jahr vorher. Ich wollte gerne, dass sie zu Hause sterben kann. Am Ende lag sie in der Stube wegen der steilen Treppe nach oben und so.« Tränen schossen in ihre Augen. »Darmkrebs. Vor drei Jahren war das. Ich konnte dann nicht mehr an die Uni. Mir war das alles zu schick in München. Ein Kumpel hat mir das mit dem Lkw angeboten. Das war zu dem Zeitpunkt das Beste. Vielleicht studier ich weiter. Ja, ich denke, ich mach irgendwann weiter. Ich will einen Plenterwald etablieren.«
    »Einen was?«
    »Unsere Vorfahren haben über Jahrhunderte so gewirtschaftet. Das ist ein Mischwald, in dem Bäume jeder Altersgruppe stehen. Fichte und Tanne überwiegen, dazu kommen Lärche, Eiche und Vogelbeere. Unterschätzten Sie mir die Vogelbeere nicht! Das ist nicht so ein nutzloser Stirl, im Gegenteil. Das ist ein Pionierbaum, der das Gras vertreibt. In seinem Schutz kommen Nadelbäume hoch. Am End muss man nichts nachpflanzen, man lebt von und mit der Naturverjüngung. Wir haben einen kleinen Streifen, wo das schon Realität ist. Sonst braucht es dazu natürlich Generationen.«
    »Das wäre doch was für Ihre Kinder und Enkel!« Irmi sah sie an.
    »Ich bin nicht so die Frau, um die sich die Männer reißen.« Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem

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