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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Trotz der herbstlichen Kühle war es in diesem Salettl, das auf drei Seiten geschlossen war, angenehm warm. Der Blick ging hinüber ins Grundstück der Maurers. Irmi hatte das Bild vor Augen, wie Martin mit dem Baby am Zaun gestanden hatte. Die Nachbarin kam mit Kaffee und ein paar Keksen wieder.
    »Sie wollen also etwas über die Familie wissen?«
    »Ja, Martin Maurer ist nämlich tot.«
    »Bitte?«
    »Ja, leider.«
    »Aber warum denn?«
    »Genau das wollen wir klären.« Irmi schaute sie aufmerksam an und wartete.
    Die Nachbarin musste sich erst ein wenig fassen, dann vergewisserte sie sich: »Und Sie sind von der Kripo?«
    »Ja.« Helga Mayr war nach wie vor nicht unfreundlich, aber sehr abwartend.
    »Sie fragen also beruflich?«
    »Wie denn sonst!« Irmi wurde es allmählich zu bunt.
    »Sie sind doch seine Exfrau.«
    Irmi blieb die Luft weg. Eigentlich hätte sie jetzt kühl bleiben und wohlüberlegt reagieren müssen. Stattdessen brach es aus ihr heraus: »Ach, und nun glauben Sie, dass ich fast zwanzig Jahre später meinem Exmann nachspioniere? Eine Bombe in den Garten werfe oder sonst was?«
    »Entschuldigen Sie, aber früher haben Sie hier vor dem Garten gestanden.«
    Es war unglaublich. Vor siebzehn Jahren hatte diese Frau sie gesehen. Und konnte sich bis heute an sie erinnern. Irmi versuchte ihre Gedanken auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. »Also noch mal, Frau Mayr: Martin Maurer ist tot. Wir haben begründeten Verdacht, dass es sich um keinen natürlichen Tod handelt. Dass ich vor Ewigkeiten Herrn Maurer mal privat gekannt habe, tut heute nichts zur Sache. Es geht hier um eine Ermittlung.«
    Lüge! Es tat sehr wohl etwas zur Sache.
    »Entschuldigen Sie. Ich muss das alles erst mal begreifen. Es ist so tragisch. Es wühlt so viel auf.«
    Ja, das tat es. Besser hätte Irmi das auch nicht formulieren können.
    »Was daran ist tragisch?«, hakte Irmi nach.
    Die Nachbarin seufzte. »Sehen Sie, Sabine und Martin Maurer haben keine Bilderbuchehe geführt. Sabine war oft bei mir herüben. Hat sich ausgeweint. Ich glaube, Martin war ein kleiner Despot.«
    War das ein später Triumph? Am liebsten wäre Irmi aufgestanden und geflüchtet. Sie wollte das gar nicht hören. Stattdessen schwieg sie und starrte in ihren Kaffee.
    »Wissen Sie, dass das Kind ums Leben gekommen ist?«, fragte die Frau unvermittelt.
    »Ja. Das ist noch gar nicht so lange her?«
    »Ein Jahr. Das Mädchen kam bei einem Autounfall ums Leben, und das war das Ende. Sabine ist daran zerbrochen. Sie ist weggezogen, zurück in ihre alte Heimat bei Freiburg. Ich telefoniere ab und zu mit ihr. Sie ist in Behandlung wegen ihrer Depressionen, immer mal wieder auch stationär. Aber ich glaube, sie macht keine Fortschritte.«
    »Und Martin?«
    »Der hat alles hingeworfen. Ist nach Frankfurt und hat sich dort binnen eines Jahres als Immobilienscout etabliert. Er war in der Sparkasse ja auch in der Immobilienabteilung, aber nun ist er, glaub ich, so eine Art Headhunter für Gewerbeimmobilien. Sucht irgendwie Anlageobjekte im großen Stil. So ganz genau weiß ich auch nicht, was er macht.«
    Wahrscheinlich alte Hotels aufkaufen und in Cubes umwandeln, dachte Irmi. »Woher wissen Sie das alles?«
    »Er steht mit mir in E-Mail-Kontakt. Oder seine Assistentin meldet sich. Wegen des Hauses. Ich pflege es ja, wie gesagt. Ohne Sabine kann er es nicht einfach so verkaufen. Ich weiß doch auch nicht, was wird.«
    Das klang verzweifelt. Sie schien ärger involviert zu sein, als man das von einer Nachbarin erwartet hätte. Und als könne sie Gedanken lesen, sagte sie: »Der Tod von Ann-Kathrin hat auch mich völlig aus der Bahn geworfen. Sie war wie eine Nichte, ach was, wie eine Tochter. Wie die Tochter, die ich nie gehabt habe.«
    »Sind Sie denn verwandt?«, fragte Irmi.
    »Nein, aber Ann-Kathrin war mehr bei mir als drüben. Sie hat sich mit ihrem Vater gar nicht verstanden, und Sabine war so schwach. Ann-Kathrin hat Rat bei mir gesucht. Ruhe. Sie war so ein ungewöhnliches Mädchen und hatte es wirklich nicht leicht.«
    »Inwiefern?«
    »Ihr Vater war wahnsinnig streng.«
    Martin war streng gewesen? Ja bestimmt. Er war ein Getriebener gewesen und hatte eine böse Seele gehabt. Immer schon. Sie hatte das nur nicht sehen wollen.
    »Inwiefern streng?«
    »Ach, wissen Sie, er hat in ihr so viel zerstört. Sehen Sie, mit dreizehn war Ann-Kathrin körperlich schon sehr gut entwickelt, auch geistig, ein souveräner Mensch, ein älterer Kopf im Körper einer

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