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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Tanzschritte ausprobiert. Ann-Kathrin hatte wohl noch gesagt, dass es scheißweit bis Murnau sei und jetzt schon mal ein Auto kommen könnte.
    Das Auto war gekommen. Die junge Frau mit dem Polo war plötzlich aus dem Nebel aufgetaucht und hatte Ann-Kathrin erfasst, die sofort tot gewesen war. Sie war hoch geschleudert worden und hatte sich beim Aufprall das Genick gebrochen. Die Fahrerin hatte sich Prellungen zugezogen und unter Schock gestanden. Den Notarzt hatte ein zweiter Autofahrer gerufen, der wenig später vorbeigekommen war, ebenfalls auf dem Weg zur Arbeit. Die anderen beiden Mädchen waren laut seiner Aussage völlig zusammengebrochen, Stefanie total hysterisch, während Laura in einer Art Schockstarre verharrt war. Beide mussten medizinisch betreut werden.
    Es gab Skizzen vom Unfall, es gab Auswertungen der Reifenspuren. Die junge Fahrerin war mit nur fünfzig Stundenkilometern unterwegs gewesen, sie trug keinerlei Mitschuld. Es gab Schriftsätze der Versicherungen, Martin hatte einiges in Bewegung gesetzt, um zumindest eine Mitschuld zu erwirken, war aber gescheitert. Die junge Frau hieß Margit Geipel, stammte aus Aidling und war auf dem Weg zu ihrer Ausbildungsstätte in München gewesen, wo sie Buchbinderin lernte.
    Die Akte umfasste auch ein paar Zeitungsartikel. Primär war es erst um die Fakten rund um den Unfall gegangen. Daraufhin war eine Flut von Leserbriefen eingegangen – die einen verdonnerten die Bauwagenfeten und das Komasaufen, die anderen wollten darin eben die Feierlust der Jugend sehen und verwiesen auf Einzelfälle, auf Ausreißer inmitten einer Schar netter bayerischer Jugendlicher. Nach dem Motto: Mir san mir.
    Einen Brief fand Irmi besonders beachtlich:

    Bayern, ein einig Volk der Trinker!
    Wie sagte der FDP-Politiker Tobias Thalhammer so schön: Die heutige Jugend ist gar nicht so negativ. In den Flatrate-Partys will er keine neue Qualität sehen. Früher hätte es eben »Goaßmaß- und Rüscherl-Partys« gegeben. Ja, wenn der Herr Thalhammer aus dem Nähkästchen seiner Kindheit plaudert, dann ist das wahrlich liberal zu nennen. Und dann haben wir in Bayern ja auch noch den großen Günther Beckstein, der der Ansicht ist, dass man nach zwei Maß Bier noch leichterdings Auto fahren kann. So werden die Flatrate-Partys nicht verboten. Die Koalition setzt lieber auf ein Präventionspaket – wie das allerdings aussehen soll, verraten sie nicht. SPD, Grüne und Freie Wähler sind mit ihren Anträgen zur Eindämmung des Alkoholkonsums ganz unelegant an der Trinkermauer von CSU und FDP abgeprallt. Wenn schon ganz oben keine Einsicht herrscht, was wollen wir uns dann am Riegsee echauffieren? Ich kann der Familie Maurer nur meine Anteilnahme versichern. Es tut mir unendlich leid.
    Dr. Waldemar Müller, Habach

    Ja, der Herr Müller hatte recht. Ohne Unterstützung von oben sah es mau aus. Auch sie bei der Polizei brauchten eine Richtlinie von der Legislative. Erst kürzlich hatte Irmi die Zahlen aus dem »Jahrbuch Sucht« gesehen: Auf fast zehn Liter reinen Alkohol brachte es jeder Deutsche im Jahresdurchschnitt. Vor allem das Komatrinken nehme zu, warnte das Jahrbuch, wenn der Gesamtkonsum auch gleich geblieben war. Doppelt so viele Personen wie noch vor zehn Jahren waren vom Komatrinken betroffen, darunter vor allem Jugendliche und Senioren. Doch, die Deutschen waren auch beim Trinken gründlich. Deutschland lag beim Alkoholkonsum weltweit in der Spitzengruppe – nach Luxemburg, Irland, Ungarn und Tschechien auf Platz fünf.
    Irmi lehnte sich zurück, atmete tief durch und zückte dann einen weiteren Leserbrief.

    Ja, Zefix, jetzt reds doch ned so an Schmarrn!
    Bier gehört in Bayern zur Kultur. Es sollen nur die sich aufmandeln, die selber keinen Tropfen trinken und in ihrer Jugend nicht auch mal über die Stränge geschlagen haben. Einen Fetzenrausch haben wir doch alle schon mal gehabt. Wir sollten froh sein, dass die Kinder daheim ein Angebot vorfinden und nicht nach München oder Garmisch fahren müssen. Oder gar bis Augsburg in irgendwelche Großdiskotheken. Mit einem Fetzenrausch an einer Straße entlangzulaufen ist tatsächlich dumm. Wo sind die Eltern dieser Kinder? Sollen die sie doch abholen, wenn sie denen schon erlauben, auf solche Feten zu gehen. Die sind doch nur froh, dass sie eine Ruh haben vor ihren Blagen, denen sie nimmer Herr werden. Aber man sucht die Verantwortung lieber bei den anderen – ich verstehe sehr wohl, dass sich der Gemeinderat da distanziert. Und

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