Huff, Tanya
Schwierigkeiten hätte, ihn zu entdecken, bewegte Sturm sich rasch durch
diesen Korridor aus sich bewegenden Schatten.
Obwohl er sich nach
einer Jagd sehnte, ignorierte er die panische Flucht eines aufgescheuchten
Waldkaninchens. Heute jagte er größeres Wild.
Weder die BRD noch die
DDR hatten je einen Carl Biehn in ihren Schützenmannschaften gehabt. Vicki
seufzte, als sie den Hefter durchblätterte und nach den Listen für die
Niederlande suchte. Wenn sie die Augen schloß, sah sie nur noch kleine schwarze
Zeichen auf weißen Blättern.
So wie die Leute heute
herumkommen, könnte Biehn von Gott weiß woher kommen. Vielleicht sollte ich
alphabetisch vorgehen. Alphabetisch... Sie starrte verständnislos auf die Seite, sah
sie nicht, und ihr Herz begann unnatürlich laut zu klopfen.
Beete erstreckten sich
vor ihr, und eine Männerstimme sagte: „Alles von Abis Zeta."
Zeta. Kanadier nannten
den letzten Buchstaben des Alphabets Zett. Amerikaner hingegen sagten Zeta.
Sie griff nach dem
Hefter, der die Informationen über die amerikanischen Olympiamannschaften
enthielt, war aber bereits sicher, was sie finden würde.
Henry Fitzroy stand im
Schatten des unteren Flurs und hörte zu, wie Celluci Daniel geduldig erklärte,
daß es jetzt zu dunkel wäre, um Frisbeefangen zu spielen. Er hatte den
Sterblichen nicht für den Typ gehalten, der sich etwas aus Kindern machte, aber
schließlich hatte er überhaupt nicht viel über ihn nachgedacht. Offenbar mußte
er das ändern.
Der Mann stand Vicki
nah, ein guter Freund, ein Kollege, ein Liebhaber. Sie würden in Kontakt
miteinander kommen, und sei es nur durch Vicki. Ihr Verhältnis zueinander mußte
daher definiert werden, zu ihrer beider Sicherheit.
Wie die meisten seiner
Art zog Henry es vor, Beziehungen zur Welt der Sterblichen auf ein Minimum zu
beschränken und unter Kontrolle zu behalten. Mike Celluci war nicht der Typ von
Mann, mit dem er normalerweise Umgang gepflegt hätte. Er war zu...
Henry runzelte die
Stirn. Zu ehrlich? Zu stark? War dies also, wohin ein Prinz gesunken war, daß
er die Ehrlichen und Starken zugunsten der Schwachen und Schurken mied? Zu
Lebzeiten hatte er die Loyalität von Männern wie diesem gefordert. Er war jetzt
nicht weniger als damals. Er trat ins Licht.
Celluci hörte nicht,
wie Henry sich näherte, aber er spürte etwas in seinem Rücken und drehte sich
um. Einen Augenblick lang erkannte er den Mann nicht, der in der Küchentür
stand. Macht und Persönlichkeit, die Henry im Laufe der Jahrhunderte erworben
hatte, trafen ihn mit fast körperlicher Gewalt, und als die haselnußbraunen
Augen die seinen trafen und er sah, daß sie ihn für würdig erachteten, mußte er
den völlig irrationalen Drang bekämpfen, auf ein Knie zu sinken.
Was geht hier vor? Er schüttelte den
Kopf, um ihn klar zu bekommen, erkannte Henry und knurrte wütend, um seine
Verwirrung zu verdecken: „Ich will mit Ihnen reden."
Das Telefon klingelte
und ließ sie erstarren.
Kurz darauf kam Nadine
in die Küche, sah von einem zum anderen und seufzte. „Es ist Vicki. Sie klingt
ein wenig merkwürdig. Sie möchte mit... "
Celluci wartete nicht
darauf, einen Namen zu hören, aber selbst als er ins Büro stapfte und den Hörer
schnappte, mußte er zugeben, daß Henry Fitzroy ihm gestattet hatte, das
Gespräch entgegenzunehmen; daß er ohne Fitzroys stillschweigende Erlaubnis
nicht in der Lage gewesen wäre, sich zu bewegen. Wenn dieser Mann nichts als ein Autor von Liebesromanen ist, dann bin ich... ihm fiel kein
passender Vergleich ein. ,Was?"
„Wo ist Henry?"
„Warum?" Celluci
wußte es besser, als seinen Ärger an Vicki auszulassen. Er tat es trotzdem.
„Willst du ihm durchs Telefon ein Küßchen zuwerfen?"
„Verpiß dich."
Die Erschöpfung beeinflußte Vickis Worte. „Biehn war Mitglied der
amerikanischen Schützenmannschaft bei der Sommerolympiade 1960 in Rom."
Zorn hatte keinen
Platz mehr in der Unterhaltung, also ignorierte er ihn. „Du hast deinen
Meisterschützen gefunden."
„Es sieht so
aus." Sie klang nicht sehr glücklich.
„Vicki, diese
Information muß an die Polizei weitergegeben werden."
„Sag es einfach nur
Henry. Ich weiß noch nicht mal, warum ich überhaupt mit dir rede."
„Wenn du es nicht
meldest, dann werde ich es tun."
„Nein. Das wirst du
nicht."
Er hatte sagen wollen,
daß ihre Freundschaft, daß die Werwölfe nicht über dem Gesetz standen, aber die
kalte Endgültigkeit ihrer Stimme hielt ihn ab. Einen Augenblick
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