Huff, Tanya
und eilte zum Telefon.
Der Abend war
unbemerkt vergangen, während sie Namenslisten verglichen hatte. Die Sonne,
eine Scheibe, so groß und rot und klar gegen den Himmel abgegrenzt, daß sie wie
gemalt aussah, zitterte am Rand des Horizonts. Vicki sah auf die Uhr. 20:33. 35
Minuten bis Sonnenuntergang. 35 Minuten bis Henry.
Er hatte gesagt, sein
Arm werde bis heute geheilt sein, also konnten er und Mike vielleicht zusammen
den Baum überwachen, und Peter könnte herfahren und sie abholen. Sie kicherte
über die Vorstellung, die diese Idee ihr lieferte, als sie sich in den
Lehnstuhl setzte und eine Lampe einschaltete.
Sie hatte zuviel
Kaffee getrunken.
Die Nachnamen von elf
Olympiaschützen hatten zu Mitgliedern der hiesigen Clubs gepaßt. Zeit für den
nächsten Schritt.
„Mrs. Scott? Mein Name
ist Terri Hanover, ich bin Journalistin und schreibe einen Artikel über
Olympiateilnehmer. Ich habe mich gefragt, ob Sie mit Brian Scott verwandt sind,
der bei der Olympiade 1976 in Montreal Mitglied der kanadischen
Gewehrschützenmannschaft war? Nein? Aber Sie sind nach Montreal gefahren... Das
ist sehr interessant, aber leider muß ich mit den Teilnehmern selbst
sprechen." Vicki unterdrückte ein Seufzen. „Entschuldigen Sie die
Störung. Gute Nacht."
Einer weniger. Noch
zehn. Lügen, um an die Wahrheit zu kommen.
Guten Abend. Mein Name
ist Victoria Nelson, ich bin Privatdetektivin. Haben Sie oder irgendwelche
Mitglieder Ihrer Familie auf Werwölfe geschossen?
Sie schob ihre Brille
hoch und tippte die nächste Nummer ohne große Hoffnung auf Erfolg ein.
Für Henry kam der
Sonnenuntergang wie der Augenblick zwischen Leben und Tod. Oder Tod und Leben.
Einen Moment lang war er nicht da. Im nächsten begann das Bewußtsein, die
Schleier des Tages von seinen Sinnen zu heben. Er lag still, lauschte seinem
Herzschlag, seiner Atmung, dem Rascheln des Lakens an den Haaren auf seiner
Brust. Er fühlte das Gewebe des Tuchs unter ihm, die Matratze darunter und das
Bett unter beidem. Der Geruch der Werwölfe wischte selbst den Geruch nach ihm
selbst weg, aber alles in allem überraschte ihn das nicht. Neu definiert für
eine neue Nacht öffnete er die Augen und setzte sich auf, während er seine
Sinne über seine Zuflucht hinaus ausstreckte.
Vicki war nicht da.
Mike schon.
Na toll. Warum war sie
ihn nicht losgeworden? Und überhaupt, wo war sie?
Er beugte den Arm und
sah den Flecken neuer Haut an der Oberseite seiner Schulter an. Obwohl das
Fleisch immer noch ein wenig zart und eingedellt war, wo neues Muskelgewebe
erst noch für Masse sorgen mußte, war die Wunde im wesentlichen geheilt. Der
Tag hatte ihm Kraft zurückgegeben, und der Hunger war zu einem Flüstern
herabgesunken, das man leicht ignorieren konnte.
Während er sich anzog,
dachte er über Celluci nach. Die Werwölfe hatten ihn offenbar akzeptiert, denn
Henry konnte in dem, was er von dem Sterblichen spürte, weder Angst noch Zorn
fühlen. Obwohl er immer noch glaubte, der sicherste Weg sei, die Erinnerung an
die Werwölfe und die beobachtete Verwandlung aus Cellucis Gedächtnis zu
brennen, konnte er keine Entscheidung treffen, ohne zu wissen, wie sich die
Dinge im Laufe des Tages entwickelt hatten. Er wünschte, er hätte gewußt,
welchen Verdacht der Mann gegen ihn hegte, was er letzte Nacht zu Vicki gesagt
und was sie darauf erwidert hatte. „Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden."
Er riß die Tür auf und trat in den Korridor. Celluci war in der Küche. Er würde
sich zu ihm gesellen. Kurz vor Sonnenuntergang sprang Sturm über den Zaun
hinter der Scheune und nutzte den unteren Teil des Zauns als Deckung, während
er sich vom Haus zurückzog. Wenn Stuart ihn sah, würde er ihn zurückrufen.
Wenn Rose ihn sah, würde sie eine Erklärung verlangen, wo er ohne sie
hinwollte. Beides wäre eine Katastrophe, also benutzte er jeden Trick, den er
beim Heranpirschen an Beute gelernt hatte, um ungesehen zu bleiben.
Es war egal, wie lang
es dauerte, der Mensch würde warten. Dessen war er sicher. Er legte die Ohren
an, seine Augen leuchteten. Der Mensch würde mehr bekommen, als er erwartete.
„Kein Glück
bisher?"
„Nein." Vicki
rieb sich die müden Augen und seufzte. „Und ich habe für heute abend die Nase
voll. Ich glaube nicht, daß ich mir diese Listen nochmal ansehen kann, ehe ich
nicht mindestens zwölf Stunden Schlaf gehabt habe."
„Dafür gibt es auch
keinen Grund", erklärte ihr Bertie, die die Sandwichteller abräumte. „Es
ist ja nicht so,
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