Huff, Tanya
hatte den Verdacht, daß sein Vater den Herzog von Norfolk geschickt
hatte, um ein Auge auf ihn zu haben und herauszufinden, warum er bis September
in Sheriffhuton blieb, einer Residenz, für die er nie eine besondere Vorliebe
geheuchelt hatte. Er hegte außerdem den Verdacht, der einzige Grund, warum man
ihn nicht an den Hof zurückbefohlen hatte, sei, daß sein Vater insgeheim seine
Tändelei mit einer älteren und sehr schönen Witwe billigte. Er war kein solcher
Narr zu glauben, sein Vater wisse nichts davon.
„So, ist er das? Möglicherweise."
Ebenholzfarbene Augenbrauen zogen sich zusammen. „Habt Ihr Euch nie gewundert,
Henry, warum Ihr mich nur nachts seht?"
„Solange ich Euch überhaupt zu sehen bekomme...
"
„Habt Ihr Euch nie gewundert, warum Ihr mich nie
habt essen oder trinken sehen?"
„Ihr wart bei Banketten", protestierte Henry
verwirrt. Er hatte doch nur gescherzt.
„Aber Ihr habt mich niemals essen oder trinken
sehen", beharrte Christina. „Und gerade heute nacht habt Ihr selbst eine
Bemerkung über meine Kraft gemacht."
„Warum erzählt Ihr mir das?" Sein Leben hatte
begonnen, sich um die Stunden zu drehen, die sie in seinem Himmelbett
verbrachten. Christina war vollkommen. Er wollte sie nicht anders sehen.
„Norfolk hat mich eine Vampirin genannt... "
Ihr Blick traf den seinen und hielt ihn fest, obwohl er ihn abzuwenden
versuchte. „Der nächste Schritt wird dann sein, es zu beweisen. Er wird Euch
sagen, wenn ich nicht das sei, als was er mich bezeichnet, dann würde ich doch
sicherlich
bei Tage zu Euch kommen." Sie unterbrach sich,
ihre Stimme wurde kalt. „Und Ihr werdet Euch zu wundern beginnen und es
befehlen. Und dann werde ich entweder fliehen und Euch nie wiedersehen, oder
ich werde sterben."
„Ich, ich würde Euch niemals befehlen... "
„Ihr würdet, wenn Ihr nicht glauben würdet, daß ich
eine Vampirin bin. Das ist der Grund, warum ich es Euch sage."
Henry öffnete und schloß den Mund in betäubtem
Schweigen, und als er schließlich sprach, kam seine Stimme in einer schrillen Karikatur
seines normalen Tonfalls heraus. „Aber ich habe gesehen, wie Ihr das Sakrament
empfingt."
„Ich bin ebenso gut katholisch wie Ihr. Vielleicht
eine noch bessere, weil Ihr mehr zu verlieren habt, wenn die Gunst des Königs
der Messe gegenüber schwindet." Sie lächelte ein wenig traurig. „Ich bin
kein Geschöpf des Satans. Ich wurde von zwei sterblichen Eltern gezeugt."
Er hatte sie nie bei Tage gesehen. Er hatte sie nie
essen oder trinken sehen. Sie besaß eine Kraft, die weit über das hinausging,
was bei ihrem Geschlecht und ihrer Größe zu erwarten war. Aber sie empfing die
Sakramente und erfüllte seine Nächte mit Herrlichkeit. „Gezeugt." Seine
Stimme war fast wieder normal geworden. „Wann?"
„1327, in dem Jahr, als Edward der Dritte auf den
Thron kam. Der Großvater Eures Großvaters war noch nicht einmal gezeugt
worden."
Es war nicht schwer, sie sich als alterslose
Schönheit vorzustellen, auf ewig unwandelbar im Laufe der Jahrhunderte. Von da
aus war es leicht, den Rest zu glauben.
Eine Vampirin.
Sie sah das Verstehen in seinem Gesicht und
breitete die Arme aus. Das lose Gewand, das sie trug, fiel zu Boden, und sie
erlaubte ihm nun, da sie sich sicher war, daß er es nicht tun würde, den Blick
abzuwenden. „Werdet Ihr mich jetzt verbannen, Henry?" fragte sie sanft und
warf das Netz ihrer Schönheit über ihn. „Werdet Ihr mich dem Scheiterhaufen
überantworten? Oder werdet Ihr die Kraft haben, mich zu lieben und von mir
geliebt zu werden?"
Der Feuerschein warf Schatten auf die Gobelins.
Engel oder Dämonin, Henry kümmerte es nicht. Er war der ihre, und wenn dies
seine Seele verdammte, dann sollte es so sein.
Er breitete die Arme aus.
Als sie sich in seiner Umarmung vergrub, preßte er
seine Lippen auf das duftende Ebenholz ihres Haares und flüsterte: „Warum habt
Ihr dann nie von mir getrunken?"
„Aber das habe ich doch. Das tue ich dauernd."
Henry runzelte die Stirn. „Aber ich habe niemals
Euer Zeichen an meinem Hals... "
„Hälse sind zu öffentlich." Er konnte ihr
Lächeln auf seiner Brust spüren. „Und Euer Hals ist nicht der einzige Teil
Eures Leibes, an dem ich meinen Mund hatte."
Während er errötete, glitt sie nach unten, um ihren
Standpunkt klar zu machen, und irgendwie versetzte ihn der Gedanke, daß sie
trank, während sie ihn befriedigte, in solche Höhen, daß er die Ekstase kaum
ertrug. Die Hölle war das wert.
„Das war
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