Huff, Tanya
dann - fast schien es ihm wie ein Wunder - dieselbe Bewegung mit
dem linken Fuß: Er schritt direkt zwischen den beiden hindurch. „Ich unterbreche
nur ungern einen Moment, der wie geschaffen ist für ein Foto in Kodacolor,
Leute, aber der Fahrstuhl ist da."
Einen Herzschlag lang konzentrierte sich das Kraftfeld auf
etwas Neues. In seinem Rücken spürte Celluci es, heiß und kalt zugleich, und er
hatte eine kurze Vision von Vickis Fingern, die einen Stuhl zerlegten. Erstaunt
darüber, daß er sich immer noch bewegen konnte, trat er über die Schwelle in
die Fahrstuhlkabine. Dann drehte er sich um. Wie erwartet starrten die beiden
ihn an. Vickis Mundwinkel waren zu einem halben Lächeln verzogen; bei ihr hatte
der Sinn für Humor über das Melodram gesiegt. Henry trug seine
Fürst-der-Finsternis-Miene zur Schau. Mike straffte die Schultern. Eine
Beziehung mit Vicki Nelson - und zwar sowohl mit der lebenden als auch mit der
untoten - überlebte nur, wer ein ebenso gesundes Selbstbewußtsein hatte wie
sie, und vor dem verdammten Henry Fitzroy würde der Detective nun gewiß nicht
das Knie beugen. „Kommst du, Vicki?"
Als sie nickte und auf den Fahrstuhl zuging, trat er
zurück, um ihr Platz zu machen.
In der Fahrstuhlkabine blieb sie stehen, und ihr Lächeln
wurde breiter. „Kommst du, Henry?"
Selbst Celluci hörte die Herausforderung in ihren Worten.
Zum Teufel, das wäre selbst einem Tauben zwei Häuser weiter gelungen.
„Vicki..."
Eine blasse Hand hob sich. Da gab ein Prinz zu verstehen,
daß sich das Fußvolk nicht einzumischen brauchte. „Ich glaube nicht.
Nein."
„Warum nicht? Verlierst du dann deine heilige
Selbstkontrolle? Wirst du zu alt für das Ganze?"
„Vicki!" Mike hätte sich den Atem sparen können. Mit
derselben Raffinesse, mit der Schulkinder einander Beleidigungen an den Kopf
werfen, hatte Vicki Henry die Herausforderung hingeschleudert, und der konnte
sie ebensowenig ignorieren wie irgendein kleiner Raufbold auf dem Pausenhof.
Celluci stand mit dem Rücken zur Wand, während sich Vicki
zwischen ihm und der Tür befand und sah nun zu, wie Henry dem Fahrstuhl
näherkam. Er wollte Vicki packen und heftig schütteln, sie fragen, was zum
Teufel das sollte. Aber warum, wo er es doch nur zu genau wußte. Auf Vicki ist
Verlaß: Wenn sie einem etwas klarmachen will, dann nimmt sie dazu einen
gottverdammten Preßlufthammer. Ich hätte verdammt noch mal zu Fuß gehen sollen
...
Die Tür schloß sich und streifte dabei flüsternd den Stoff
von Henrys Blazer. „Parkdeck eins, bitte."
Mit leicht geneigtem Kopf, die silbrigen Augen von
Schatten umwölkt, drückte Vicki auf den Knopf, ohne genau hinzusehen.
Nicht der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung, wie Celluci
feststellen mußte: Sein Herz rutschte ihm in die Hose.
Henry und Vicki wechselten zur selben Zeit ihre Positionen,
zu schnell, als daß das Auge eines Sterblichen eine Bewegung hätte registrieren
können. Eben noch hatten sie einander gegenübergestanden - Henry mit dem
Rücken zur Fahrstuhltür -, und schon befand sich Vicki links von Celluci, Henry
rechts von ihm. Zwar sahen sie einander immer noch direkt an, nun aber aus
einer Distanz, mit der sie vielleicht würden leben können. Ein leises,
warnendes Knurren - man fühlte es eher, als daß man es hörte - durchdrang den
geschlossenen Raum und brachte jedes einzelne Härchen auf Cellucis Körper
dazu, sich aufzurichten. Kein sehr angenehmes Gefühl; der Detective wußte nur
zu genau, wie wenig vonnöten war, um die zerbrechliche Balance in der Kabine in
ein chaotisches Blutvergießen zu verwandeln und widerstand mit Mühe dem
Bedürfnis, sich zu kratzen. Wenn wir jetzt noch unten ankommen, ohne daß jemand
...
Im sechsten Stock hielt der Fahrstuhl.
Die Tür öffnete sich.
Beide Vampire fuhren herum, um sich dem Störfaktor zu
stellen.
Celluci wußte nicht genau, was das Paar, das im sechsten
Stock auf den Fahrstuhl gewartet hatte, sah und wollte es auch gar nicht
wissen. Leichenblasse Gesichter und ein sich rasch ausbreitender
verräterischer Fleck auf der Vorderseite einer teuren Seidenhose sagten genug.
Mit zusammengebissenen Zähnen sprang er vor und drückte auf den Knopf, der die
Fahrstuhltür wieder schloß.
Mit dem Schließen der Tür verhallte auch der schrill
aufsteigende, panische Angstschrei, und mit einem Mal war es Celluci ganz
gleich, ob einer seiner Begleiter die Fassung verlieren könnte: Er verlor sie
selbst.
„Das reicht jetzt!" zischte er und wandte sich
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