Huff, Tanya

die
Beherrschung zu wahren: „Nun siehst du, wozu du mich getrieben hast!"
    ,Wozu ICH dich getrieben habe!" Mikes Herz schlug so
laut, daß selbst er es hören konnte. Er wunderte sich ein wenig, daß Vicki mit
ihren feinen Ohren außer diesem Herzklopfen noch irgend etwas anderes hören
konnte -seine Stimme zum Beispiel. „Ich glaube nicht, daß das meine Schuld
war."
    „Nein." Nun schimmerten Vickis Augen fast grau, einen
Rest Silber konnte man auch dem Lichteinfall zuschreiben. „Wohl nicht."
Sie streckte die Hand über den Tisch und strich dem Detective die Haarsträhne
aus der Stirn. „Aber du hast nicht das Recht, mir vorzuwerfen, ich sei
leichtsinnig!"
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„Wohl nicht." Er fing ihre Hand und preßte die Lippen
auf die kühle Innenhaut ihres Handgelenks - eine Geste, die sie umgekehrt wohl
hunderte von Malen praktiziert hatten. „Was jetzt?"
    „Jetzt rufe ich Henry an."
    „Anrufen?"
    „Ja! Per Telefon!" Sie entwand sich seinem Griff und
schlug ihn leicht auf beide Wangen. „Du bist nicht der einzige mit guten Ideen
zur Vereinfachung der Dinge, du mit den hübschen Beinen!"
    Stirnrunzelnd sah er ihr nach. „Hübsche Beine?"
    „... einer von denen ist wirklich der Mann, nach dem wir
suchen?" fragte Henry, faltete die Liste zusammen und schob sie in die
Tasche. Er hatte versucht, weder spöttisch noch überheblich zu klingen, und
beides war ihm unter dem Strich erstaunlich gut gelungen. Aber waren Vicki und
er am Telefon nicht immer miteinander klargekommen?
    „Was? Du meinst, vielleicht sagt eines deiner ... Subjekte
einfach: Ja, ich bin es, ich habe an der gesamten Westküste Organe verhökert.
Normalerweise schmeißen wir die Leichen immer auf hoher See über Bord, aber
der Typ im Hafen ist wohl in die falsche Strömung geraten?"
    Mit Mühe sorgte Henry dafür, daß man ihm das Lächeln nicht
an der Stimme anhörte - Vicki hatte angesichts der Vorstellung, er könne die
Wahrheit vor ihr aufdecken, unglaublich indigniert geklungen. „Ja. Nehmen wir
einmal an, eines meiner ... Subjekte sagt so etwas zu mir. Wenn du mir
wirklich die Hälfte aller Namen genannt hast, stehen die Chancen 50:50."
    „Du brauchst mir nicht zu sagen, wie die Chancen stehen,
Henry. Ich bin ja vielleicht nur eine kindische kleine Vampirin ..."
    Henry konnte Celluci im Hintergrund protestieren hören und
war heilfroh, den Anfang des Streits zwischen den beiden nicht mitbekommen zu haben.
    „... aber ich habe wesentlich länger als Mensch gelebt als
du und war auf jeden Fall verdammt viel länger Ermittlerin."
    „Ich wollte ja auch gar nichts anderes behaupten."
    „Nein, du wolltest nur sagen, daß du mich hier gar nicht
brauchst..."
    Mit leicht gerunzelter Stirn rief Henry sich die gesamte
Konversation noch einmal ins Gedächtnis und versuchte herauszufinden, wie die
Freundin zu diesem Trugschluß gekommen sein mochte. „Vicki, ich mag vielleicht

durchaus in der Lage sein, Gangsterbosse einzuschüchtern,
aber ich wäre von allein nie auf die Idee gekommen, daß uns das bei unserem
Fall weiterhelfen könnte."
    „Ach."
    „Also brauche ich dich, um in dieser Sache meinem trägen
Kopf etwas auf die Sprünge zu helfen."
    „Ach." Er hörte sie seufzen. „Jetzt weiß ich nicht
mehr, ob ich dich für erwachsen oder überheblich halten soll."
    „Was wäre dir denn lieber?"
    „Das war eine typische Celluci-Frage! Ich will nicht mehr,
daß ihr beide so viel zusammengluckt." Aber er konnte sie lächeln hören,
also war alles in Ordnung.
    „Das kann ich voll und ganz verstehen."
    Sie schnaubte, ein rein menschliches Geräusch. „Könntest
du nie! Wer als erster zurück ist, hinterläßt dem anderen eine Nachricht auf
dem Anrufbeantworter."
    ,Wir sollten uns also deiner Meinung nach nicht treffen?"
Wie aus heiterem Himmel traf Henry die Erinnerung an den Puls an Vickis
Halsansatz, an ihre weiche, von der Sonne geküßte Haut, die nun nie mehr so
wunderbar gebräunt sein würde, und er verpaßte in der plötzlich über ihm
zusammenschlagenden Welle aus Einsamkeit ihre Antwort. „Es tut mir leid, ich
..."
    Vickis Stimme klang sanfter, als Henry sie seit der
Wandlung je vernommen hatte. „Mir tut es auch leid."
    „Alles klar?"
    Vickis Hand ruhte noch auf dem Hörer. Sie wandte sich Mike
zu und zuckte die Achseln. „Ich habe Henry jeden zweiten Namen genannt. Er
weiß, was wir suchen. Wie du gesagt hast: Völlig unfähig ist er nicht."
    Cellucis Brauen zogen sich zusammen, als er den Hauch von
Melancholie in Vickis Stimme