Huff, Tanya
verharren. Dann
hatte sie, in geborgte Badetücher gehüllt, eine Weile am Fußende von Cellucis
Bett gestanden und sich nicht getraut, ihn wachzurütteln, weil sie befürchtete,
er könne ... was sehen? Das Blut hatte sich in der Duschwanne zu ihren Füßen
gesammelt und war dann gurgelnd im Abfluß verschwunden. Ansonsten war ihr doch
nichts anzumerken - oder? Bestimmt nicht.
„Vicki?" Als der Kopf der Freundin hochflog, seufzte
Mike ergeben und zog sich im Bett hoch, bis er den Rücken gegen das weiche,
bequeme Leder des Kopfteils lehnen konnte. Vicki mochte ihre Ernährung
umgestellt haben, ihre Gestik und Mimik waren unverändert geblieben, und gerade
jetzt versuchte sie, ihm etwas zu verheimlichen. „Was ist los?"
„Nichts."
Beim Klang ihrer Stimme runzelte Mike leicht die Stirn und
legte seine Hand auf die der Freundin. Deren Hand war zu seinem Erstaunen fast
warm. „Stimmt alles mit dir, ist alles in Ordnung?"
„Willst du damit fragen, ob ich verletzt bin? Nein, alles
in Ordnung." Angefaßt hatte sie niemand - bis auf Henry. „Wir haben wenig
Zeit ...", die Sonne wartete direkt hinter den Gipfeln der Berge. „Ich
komme lieber gleich zur Sache. Wenn jemand in der Stadt Organe erntet, dann
nicht die Mafia. Die Leute, mit denen Henry und ich geredet haben, wußten von
nichts. Sie selbst tun es nicht und haben auch nicht gerüchteweise vernommen,
daß jemand anderes es tut."
„Du bist sicher, daß sie euch die Wahrheit gesagt
haben?"
Vicki hob langsam den Kopf und starrte dem Detective
direkt in die Augen. „Ganz sicher."
Sie saß nicht direkt in dem schwachen Lichtkreis, den die
Nachttischlampe verbreitete und das Oval ihres Gesichtes lag im Schatten. In
diesem Oval blitzten nun ein paar silbrige Funken auf, die aber wieder verschwunden
waren, ehe Celluci in ihren Bann geraten konnte.
„Gut, dann bist du dir also sicher." Celluci hätte
nicht sagen können, wo bei dieser ganzen Fürst-der-Finsternis-Sache die Grenzen
lagen und
hegte den schweren Verdacht, ganz so allmächtig, wie Henry
und Vicki ihn glauben machen wollten, stünden Vampire letztlich gar nicht da.
Aber Vicki hatte im Laufe vieler Jahre so viele verdächtige Personen befragt.
Er konnte sich getrost darauf verlassen, daß sie schon merken würde, ob ein
Mensch log oder nicht. „Dann wollen wir hoffen, daß du sie nicht auf dumme
Ideen gebracht hast", fügte er trocken hinzu.
„Nicht, was Organdiebstahl betrifft."
Beim Klang ihrer Stimme stellten sich Cellucis Nackenhaare
auf, und die Frage, welche Ideen sie der Mafia denn sonst noch in die Köpfe gesetzt
haben könnte, erübrigte sich. „Wenn das organisierte Verbrechen nicht an der
Sache beteiligt ist, haben wir auch keinen Grund mehr dafür, im Handel mit
Organen das mögliche Motiv für den Mord zu sehen. Für den Mord an Henrys Geist
kann es unendlich viele Gründe geben."
„Da magst du recht haben. Aber ihm fehlt nach wie vor eine
Niere, also sollten wir uns noch eine Weile mit der Hypothese Organhandel befassen.
Vielleicht hat deine Patricia Chou ja recht, was Swanson betrifft."
„Ms. Chou ist in keinerlei Hinsicht mein Eigentum, und
Swanson hat eine völlig weiße Weste und führt, was das Gesetz betrifft, ein
makelloses Leben."
„Irgendwann fängt jeder Gangster mal an."
„Gleich mit Mord loszulegen, weil man den Leuten die
Nieren klauen will, scheint mir ziemlich gewagt für einen Anfänger." Vicki
zuckte unverbindlich die Achseln, aber es war klar, daß sie in dieser Sache nicht
lockerlassen würde. Manchmal geht es Polizisten eben so: Sie halten an einer
Theorie fest, auch wenn diese auf nichts anderem beruht als auf einer Ahnung,
obgleich alle und alles dagegen sprechen. Wenn sich herausstellt, daß sie
recht hatten, wird ihnen nachgesagt, sie hätten bessere intuitive Fähigkeiten
als andere. Wenn sich herausstellt, daß sie unrecht hatten - was häufiger der
Fall ist -, werden sie als dickköpfig bezeichnet, als ichbezogen und nicht
bereit, die zähe Kleinarbeit auf sich zu nehmen, die nötig ist, um einen Fall
zu lösen. Die Tatsache, daß Vicki mit ihren „Ahnungen" häufiger recht als
unrecht hatte, machte sie nicht weniger dickköpfig. „Was nun?"
„Ich finde, wir sollten mal eine Weile nicht mehr am Wer'
arbeiten, sondern uns der Frage Wo' zuwenden." Nun konnte man die Sonne
nicht mehr ignorieren. Vickis Schultern verkrampften sich, als erwarte sie einen
Schlag von hinten. „Mike, ich muß jetzt los!"
Celluci hob die Hand und fuhr sich über
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