Huff, Tanya
den Rachen zu werfen. „In weniger als zwei Stunden sitzen
der Empfänger und sein Vater im Flugzeug hierher."
„Wesentlich unangenehmer wäre es, wenn wir den Empfänger
infizierten."
Beide dachten einen Augenblick darüber nach, welche Folgen
so etwas hätte.
„Gut." Er nahm einen Schluck Tee und setzte die Tasse
dann auf dem Tisch neben einer Vase mit frischen Blumen ab. Rebecca hatte stets
darauf bestanden, den Küchentisch mit frischen Blumen zu schmücken. „Ich rufe
ihn an. Solange er noch nicht im Flugzeug sitzt, kann ich den Vater erreichen,
er hat ein Mobiltelefon, und der Spender ..."
„Wir möchten doch nicht, daß er redet..."
„Natürlich nicht. Gut, wir machen keinen Unterschied
zwischen ihm und den anderen. Schaffen Sie ihn einfach so rasch es geht aus der
Klinik."
Als die Ärztin aufgelegt hatte und die Milch sich wieder
im Kühlschrank befand, drückte er auf einen Knopf und wählte aus dem Gedächtnis
die Nummer des Käufers. Wie erwartet wurde die Unterhaltung unangenehm. Aber
man muß ein verdammt guter Verkäufer sein, um mit dem Verkauf von Immobilien
ein großes Vermögen zu erwirtschaften -selbst auf dem Markt von Vancouver, wo
sich jede Immobilie rasch umsetzen läßt. Er konnte all seine alten Tricks noch
abrufen, auch wenn es lange her war, seit er das letzte Mal irgend etwas
verkauft hatte. Sicher
schadete es auch nicht, daß er nach wie vor die beste
Chance war, die dieser Vater seinem Sohn zu bieten hatte.
Als er zu seinem Tee zurückkehrte, war dieser kalt. Er
trank ihn trotzdem. Rebecca hatte nichts gegen kalten Tee einzuwenden gehabt
und ihn sich oft mit der Katze geteilt. Die Katze war ohne ersichtlichen Grund
drei Monate nach Rebeccas Tod ebenfalls gestorben. Der Tierarzt hatte die
Achseln gezuckt und angedeutet, es könne sich um ein gebrochenes Herz gehandelt
haben.
Er beneidete die Katze; deren Trauerzeit war zu Ende.
„Nun zu den Nachrichten aus unserer Stadt: In der letzten
Nacht erreichten die Gewaltverbrechen in Zusammenhang mit organisierter Kriminalität
einen neuen traurigen Rekord. Die Zahl der Toten liegt im zweistelligen
Bereich, und ..."
Die Gabel voll Rührei erstarrte auf halbem Weg zu Cellucis
Mund. Fassungslos starrte der Detective das Radio an. „Elf Männer, unter ihnen
Bandenchef David Eng, wurden in einem Lagerhaus für Fußbodenbeläge im Stadtteil
Richmond tot aufgefunden, als Angestellte des Lagerhauses am Morgen zur Arbeit
erschienen. Einige der Männer waren Schußwunden erlegen, bei anderen jedoch
hat es den Anschein, als seien sie von einem wilden Tier zerfetzt worden. Da
ein Teil der Toten bekanntermaßen für Adam Dyshinos Bande gearbeitet hat, geht
die Polizei davon aus, daß es bei einem Treffen der beiden Gruppen zu einem
plötzlichen Ausbruch von Gewalttätigkeit kam. Die Polizei weiß noch nicht
genau, ob der Tod Sebastien Carls, dessen Leiche in seinem Haus in Ost
Vancouver gefunden wurde, mit den anderen Ereignissen der letzten Nacht in Zusammenhang
steht und versucht gerade, Mrs. Carls Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Wer
Informationen über diese oder ähnliche Verbrechen hat, wird gebeten, sich mit
den Vancouver Crime Stoppers - dem Zusammenschluß von Polizei, Presse und
Justiz zur Verbrechensbekämpfung - oder mit seinem örtlichen Polizeirevier in
Verbindung zu setzen."
„Aber ja doch!" Mike schnaubte und aß weiter. Niemand
meldete sich je mit Informationen über Gewaltverbrechen innerhalb der
verschiedenen Mafiagruppen; Sinn und Zweck des organisierten Verbrechens war
nun einmal das Organisieren. Mit Zeugen gingen diese Leute äußerst effizient
um.
Vicki war also außer Gefahr.
Dann traf es ihn wie ein Schlag. Elf Männer. Vielleicht
auch zwölf. Oder mehr? Tote, die man nicht gemeldet hatte, weil sie aussahen
wie auf natürliche Weise umgekommen, einem Unfall zum Opfer gefallen?
Plötzlich war der Detective nicht mehr hungrig. Er starrte
auf die Eier auf seinem Teller und suchte in dem Muster, das die scharfe
Gewürzsoße auf dem Eigelb hinterlassen hatte, Antworten auf die Fragen, die auf
ihn einstürmten. Elf Männer. Vielleicht zwölf. Alles Bandenmitglieder und
höchstwahrscheinlich jeder von ihnen ein Mörder. Männer, ohne die die Welt
zweifellos um einiges besser dastand.
Aber dennoch...
Wenn das Gesetz nicht für alle und jeden galt, galt es für
niemanden. Wer immer diese Männer getötet hatte, hatte gegen ein Gesetz verstoßen,
und da spielte es keine Rolle, wie sehr ihre Beseitigung das Leben
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