Huff, Tanya
trug stets der Tod den Sieg davon.
Er spürte, wie Vickis Leben verrann, und wußte, daß nichts, was sie
tun konnten, das ändern würde.
Während Henrys Finger den Druck auf die Arterie
aufrechthielten, be deckte er die klaffende Wunde mit dem Mund.
So würde er wenigstens Kontakt mit ihrem Blut haben, wenn sie starb.
Er nahm die weiche Wär me ihrer Haut, ihren Geschmack, ihren Geruch tief in seine
Erinnerungen auf. Du bist sterblich, meine Geliebte. Ich habe immer gewußt,
daß du einmal sterben würdest, aber ich hätte mir nicht träumen lassen,
daß wir so wenig Zeit haben würden ...
Plötzlich spürte er Cellucis Faust in seinem Haar und
verlor den Kon takt zur Geliebten.
„Verbinden sollen Sie sie, verdammt noch mal, nicht ihr
die letzen Reserven aus dem Leib saugen!"
Mit blutbefleckten Lippen fletschte Henry die Zähne.
„Hände weg, Sterblicher!"
Die Explosion hatte Vicki aus
der Dämmerzone von Schmerz und Dun kelheit geholt, in die sie versunken war. Sie hätte es nie für möglich
ge halten, daß man so große Schmerzen haben und
trotzdem noch am Le ben sein könnte. Sie
konnte die beiden Männer streiten hören und kämpfte gegen das Blei, das an ihrer Zunge zu hängen schien.
„Mi..."
„Vicki?" Beim Klang ihrer Stimme hatte Celluci Henry
sofort verges sen. Er wandte sich ihr zu und nahm das Gesicht der Freundin in
beide Hände. Am Sperrholz, mit dem die
Fenster vernagelt waren, leckten be reits
Flammen, aber Celluci beachtete sie nicht. Der Rauch stieg erst nach
oben und an der hohen Decke entlang, und der Weg zur Tür war immer noch frei. Solange das Feuer keine
unmittelbare Gefahr darstellte, konnte man es zugunsten wichtigerer Dinge
ignorieren. Das blankpolier te Metall der Isolierbox warf den roten
Schein der Flammen zurück in den Raum, und
in diesem Schein sah Celluci, wie Vickis Augenlider flatter ten. Einmal. Zweimal. „Halte durch, wir bringen
dich ins Krankenhaus."
Krankenhaus? Sie
hätte ihm so gern erklärt, daß das zwecklos war. Aber sie
wußte nicht, wie sie das machen sollte.
„Michael."
Der Schmerz in der Stimme des Detectives hatte Henrys Zorn gedämpft und seine eigene Trauer wieder in den Vordergrund tre ten
lassen. Mit einer Hand hielt der Vampir immer noch den lächerli chen, hoffnungslosen Druck auf Vickis Arterie
aufrecht; mit der anderen umfaßte er jetzt sanft Cellucis Schulter.
„Dafür reicht die Zeit nicht."
„Nein."
„Sie wird tot
sein, noch bevor Sie sie aus dem Gebäude geschafft haben."
„Nein!"
„Ich kann spüren, wie ihr Leben
verrinnt."
„Ich sagte
NEIN!"
Hör auf ihn, Mike, er hat recht. Vicki
nahm an, daß sie noch atmete, konnte sich aber nicht sicher sein.
Ich bin immer noch da, also muß ich auch noch
atmen.
„Verdammt noch
mal, Vicki, stirb nicht!"
Oh Gott, Mike, nicht weinen! Sie
hatte gedacht, nun könne ihr nichts mehr wehtun. Sie hatte
sich geirrt.
„Aber es muß doch irgend
etwas geben, was wir tun können!"
Henry fühlte, wie sich ein Schraubstock um sein Herz
legte und festgezogen wurde. „Nein." Ein Wort, vier Buchstaben, und darin
lag alles, was er jetzt fühlte.
Celluci vernahm einen Schmerz, der so groß war wie sein
eigener; er blickte auf, in haselnußbraune Augen, die im
Lichtschein des Feuers fast golden glänzten. In diesen Augen lag
eine Wahrheit, die so bitter war, daß er sie nicht mehr verdrängen konnte. Vicki
starb.
Mir ist kalt. Es ist dunkel. Und es ist
nicht fair. Jetzt könnte ich sagen, daß ich dich liebe.
Euch beiden könnte ich es sagen. Liebe hat ausgereicht, um mei ne Mutter zurückzubringen. Aber ich bin wohl nicht so
stark wie sie. Vickis Körper schien kein Teil von ihr mehr zu sein. Ihre
Haut fühlte sich an wie ein schlechtsitzender Anzug. Oh Scheiße,
ich kann nichts mehr fühlen. Das ist ätzend, das ist
wirklich ätzend. ICH WILL NICHT STERBEN!
Mit einem Ruck flogen Vickis Augen auf. Sie konnte einen
vertrauten Schatten sehen, der sich über sie beugte. Ihre Finger
zitterten, sehnten sich schmerzlich danach, eine Haarsträhne
aus seinem Gesicht zu streichen.
„Vicki?"
Cellucis Anblick
gab ihr die Kraft, ein einziges Wort zu sagen:
„Hen...ry."
Wie eine Harpune bohrte sich der Name in Cellucis Herz
und zerfetzte es mit eisernen Widerhaken. Henry wollte sie, nicht ihn. In Henrys
Ar men wollte sie sterben. Der Detective
biß sich auf die Lippen, um nicht aufzuschreien, und versuchte, seinen Kopf
abzuwenden. Aber es gelang ihm nicht. In Vickis Augen lag ein Ausdruck,
der ihn nicht
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