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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 03 - Blutlinien
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wieder draußen bin?
    Was war mit Henry und Mike? Hatte Henry sie verraten? Hatte man Mike aufgegriffen? Daß sie das nicht wußte, machte alles noch viel schlimmer.
    Vickis Augen wurden feucht, und ärgerlich blinzelte sie, bis sie sie
wieder getrocknet hatte. Dann runzelte sie die Stirn: Es schien ihr, als würden sich in einer Träne zwei winzige rotglühende Lichter
spiegeln. Das aber war völlig unmöglich - sie konnte doch gar nichts sehen!
    Zwar waren
die Zellen nicht richtig dunkel und lagen die ganze Nacht in graues Zwielicht voller Schatten getaucht, aber für Vicki
    hatte der
Befehl ,Licht aus' wirklich bedeutet, daß das bißchen, was sie ohne ihre Brille hatte sehen können, auch noch
verschwand. Lambert hatte ihre
Behinderung rasch mitbekommen und war darangegangen, diesen Vorteil voll
auszuschöpfen. Aber merkwürdi gerweise fand Vicki nun, wo sie sich nicht
mehr krampfhaft darum bemühte, etwas zu
sehen, das Leben ein wenig einfacher. Geräusche, Gerüche, die Bewegung verschiedener Luftströme auf ihrer Haut - das alles war weitaus hilfreicher als ihr
nachlassendes Sehvermögen. Wenn auch
leider nicht genug, um den fortlaufenden Attacken aus dem Weg zu gehen.
Natalie hätte das Spiel die ganze Nacht fortsetzen können, aber Lambert hatte
bald begonnen, sich zu langweilen und die große Frau barsch zu Bett geschickt.
    Natalie
liebte es, anderen wehzutun - ihre einzige Stärke war ihre Körperkraft -, und
Lambert liebte es, dabei zuzusehen, wie anderen wehgetan wurde. Wie schön für
die beiden, daß sie einander gefun den
haben, dachte Vicki.
    Vicki wußte, wie dringend sie ein wenig Schlaf benötigte, ging jedoch
nicht davon aus, daß es ihr auch gelingen würde, wirklich einzuschlafen; ihr Körper schmerzte an zu vielen Stellen, das Abend essen war zu
einem harten Klumpen geronnen, der gegen ihre Rip pen drückte, die Matratze schien sich in heimtückischer Absicht in ihre
Schultern und Hüften zu bohren, und der Gestank in der Zelle setzte sich wie ein Belag in der Innenseite ihrer Nasenlöcher und in ihrem Mundraum
fest, wodurch ihr das Atmen schwerfiel. Aber das war noch nicht einmal das
Wesentliche: Vicki war sich sicher, nicht schlafen
zu können, weil in ihrem Kopf die Verzweiflung herumjagte wie ein Hund,
der seinen eigenen Schwanz fangen will.
    Schließlich verlangte die Erschöpfung ihren Tribut, und Vicki dämmerte in den Schlaf hinüber, als letztes das Geräusch von Plastik gegen Beton
im Ohr: Zwei Zellen weiter kämpfte eine Insassin mit ihren gepolsterten Fußfesseln und schlug sich den mit einem Hockey helm
geschützten Kopf wieder und wieder gegen die Wand.
      Henrys Finger
umklammerten den Sockel der Straßenlaterne, und der Beton begann, unter seinem
Griff zu zerbröseln.
    Tawfik! Hier bin ich!
    „He, Kumpel, hast du mal ne -"
    Wer wagte es?
Henry wandte sich um.
    „Heilige
Maria, Mutter Gottes." Der Betrunkene erbleichte unter seinen Bartstoppeln und dem Dreck. Genauso sahen
seine Alpträume aus! Er hob einen speckigen Arm vor die Augen und stolperte hastig
davon. „Schon gut, Mann, ich habe nichts gesagt", murmelte er. „Vergiß es."
    Er war bereits vergessen.
    Henry hatte keine Zeit für Gedanken an irgendwelche Sterblichen. Er wollte Tawfik.
    Er spürte den Zorn des Nachtwandlers. Dessen ganzes strahlendes Ka loderte
mit dieser Wut.
    Komm und finde mich!
    Er stand am Fenster und blickte hinunter auf die Straße. Auch wenn eine
Ecke des Hotels ihm die Sicht verstellte, wußte er genau, wo der junge Richmond
auf ihn wartete. Dessen Leidenschaft warf sein Ka derart forsch in die Arena,
daß Tawfik kaum die Hand auszustrecken brauchte, um es berühren zu können.
Auch jetzt standen ihm nur die
oberflächlichen Gedanken des anderen offen, aber in diesen Gedanken kochte eine so rauhe, ungezügelte
Emotion, daß es zumindest für diese
Nacht Unterhaltung genug bot.
    „Wie klein diese Stadt doch letztlich ist!" murmelte er und be rührte leicht
das Glas. „Also, du kennst das Spielzeug meines Herrn und dazu noch den
Polizeibeamten, der sie ausschickte, nach mir zu suchen - und der ja meinen Jagdhunden ein gutes Rennen liefert." Tawfik
erinnerte sich plötzlich an die Türen, an denen er auf sei nem Spaziergang durch das Bewußtsein der
Auserwählten vorbeige schleust worden
war, und mußte lächeln. Zwei dieser Türen hatten ihr Geheimnis preisgegeben. Wie edel, daß sie versucht hatte, die zu
schützen, die ihr nahestanden! „Ich glaube, diese kleinen Ver bindungen
zwischen

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