Huff, Tanya
Sie wollten die
Inventurliste sehen." Die stellvertretende Kuratorin nickte, woraufhin Doris ins Zimmer trat und einen Stapel Papiere auf den Schreibtisch legte. „Nichts fehlt, nichts ist durcheinander,
aber in der Dunkelkammer haben wir einen Haufen unbrauchbarer
Filme gefunden. Jeder einzelne überbelichtet, fast dreißig Filme, und
dann sind da noch ein Stapel Videokassetten, auf denen nur Schwarz zu sehen
ist."
„Wissen Sie, was auf den Filmen war?" fragte Mike.
Doris wirkte leicht verärgert. „Ich habe nicht die geringste Ah nung. Ich habe alles geprüft, was ich in der letzten Zeit aufgenommen hatte, und da stimmt alles."
„Könnten Sie
die Filme und Videokassetten zur Seite legen? Ich schicke jemanden zum Abholen."
„Dann lasse ich sie, wo sie sind." An der Tür blieb Doris stehen und drehte sich noch einmal zu dem Polizeibeamten um: „Wenn man sie noch
verwenden kann, dann hätte ich sie gern wieder. Videokas setten wachsen hier nicht auf Bäumen."
„Ich werde mein Bestes tun", versicherte er. Als sich die Tür
hinter ihr geschlossen hatte, wandte er sich wieder an Dr. Shane. „Budget kürzungen?"
Sie lachte humorlos. „Wann gibt es die nicht? Ich wünschte, ich könnte mehr
für Sie tun. Ich bin noch einmal alles in Dr. Rax' Büro durchgegangen, als Ihre Leute weg waren, und ich konnte nichts Fehlendes
entdecken - außer dem Anzug."
Der ihnen zumindest einen kleinen Anhaltspunkt in Bezug auf die Größe des
Eindringlings vermittelte - wenn es denn einen Eindringling gegeben hatte. Das
Royal Ontario Museum verfügte über einen ausgezeichneten Sicherheitsdienst, und
es gab keinerlei Anzeichen dafür, daß jemand
das Museum betreten oder verlassen hatte. Viel leicht war das ganze ein Werk von Innen, von jemandem, der im Museum arbeitete; ein Freund des toten
Hausmeisters, der herum geschnüffelt
hatte und in Panik geraten war, als Rax den Herzinfarkt erlitt. Bei den Verhören am Vortag war auch nach
den Leuten gefragt worden, die Rax am wenigsten gemocht hatte, und in diesem
Zusam menhang war ein paarmal der
Name Van Thorne gefallen. Vielleicht hatte
der ja herumgeschnüffelt und war in Panik geraten - nur hat ten sie Dr. Van Thorne bereits befragt, und er
besaß ein wasserdichtes Alibi - von
einer Frau mit ausgeprägten Beschützerinstinkten ein mal ganz abgesehen.
Dennoch: Eine Reihe von Möglichkeiten war denkbar, die alle mit einer
offensichtlich nicht existierenden Mumie nichts
zu tun hatten.
Während verschiedene Theorien in Cellucis Kopf Fangen spielten, hielt
der Detective ein wohlwollendes Auge auf Dr. Shane, die hinter ihrem Schreibtisch hervortrat.
„Am Telefon
sagten Sie, Sie würden gern den Sarkophag sehen", sagte sie und ging zur Tür.
Er folgte ihr. „Ja, ich würde gerne einen Blick darauf werfen."
„Er stand nicht in der Werkstatt, müssen Sie wissen. Wir hatten ihn schon auf
die andere Seite des Flurs geschafft."
„Ins Lager." Er spürte die Blicke der Abteilungssekretärin, die
sich in seinen Rücken bohrten, als er zusammen mit
Dr. Shane durch das Großraumbüro ging. „Was treiben Sie sich
hier herum?" fragten die Blicke. „Warum suchen Sie nicht nach dem, der das
getan hat?" Blicke wie diese konnte er aus fünfzig Metern Entfernung spüren, einfach an der Art, wie sie seinen Rücken trafen.
Im Laufe der Jahre hatte er sie
ignorieren gelernt. Meist zumindest.
„Sie werden ja selbst sehen: Er ist einfach ein wenig zu groß, wir konnten nicht ständig um ihn herumlaufen." Dr. Shane blieb an einer
Tür, die der zum Werkraum gegenüberlag, stehen und zog ihren Schlüsselbund aus der Tasche. „Daher haben wir ihn hierher gebracht."
Im Gegensatz
zu den Türen des Werkraums, die in einem hellen Gelb erstrahlten, waren die Türen des Lagerraums in grellem Orange gestrichen, das wahrscheinlich sogar im Dunkeln
leuchtete.
„Was hat es eigentlich mit den Farben auf sich?" fragte Celluci.
Dr. Shanes Kopf ruckte zwischen den beiden Türen hin und her. „Ich habe", sagte sie schließlich, die Stirn leicht gerunzelt,
„wirklich nicht die geringste Ahnung."
Auf Mike wirkte der Sarkophag wie ein riesiger rechteckiger schwarzer
Kasten aus Stein, und er mußte ihn mit den Fingern abtasten, um
herauszufinden, wo der Deckel auf die Seitenwände stieß. „Woran erkennen Sie, daß so etwas aus der
sechzehnten Dynastie stammt?" fragte er, hockte sich nieder und blickte in
das offen ste hende Fußende des Sarkophags.
„Im
Wesentlichen daran, daß bisher nur ein einziger
Weitere Kostenlose Bücher