Huff, Tanya
was er zu erzählen hatte - ehe sie ihn dann wohl auch für verrückt erklärte.
"Victoria Nelson, Privatermittlungen."
„Himmel noch
mal, Vicki, es ist dreizehn Uhr siebzehn. Sag mir bloß nicht, daß du noch schläfst!"
„Weißt du,
Celluci..." Sie gähnte hörbar und setzte sich bequemer in ihrem Lehnstuhl zurecht. „Du klingst wie meine
Mutter."
Sie hörte ihn schnauben. „Hast du die Nacht bei Fitzroy ver bracht?"
„Nein."
Als sie zu Bett gegangen war, nachdem sie den Großteil des Tages verschlafen hatte, hatte sie das Schlafzimmerlicht bren nen
lassen müssen. Sie mochte nicht im Finsteren liegen, sie wurde das Gefühl nicht los, Henry läge wieder neben ihr,
leblos und leer. Letztlich hatte sie dann kaum geschlafen, war immer
wieder hoch geschreckt und von schrecklichen
Träumen heimgesucht worden. Kurz vor
dem Morgengrauen hatte sie Henry angerufen. Zwar war es diesem gelungen, sie -
und, wie sie annahm, damit gleichzeitig auch sich selbst - davon zu überzeugen, daß er zumindest an die sem
Morgen kein Bedürfnis hatte, sein Leben der Sonne zu opfern. Trotzdem hatte sie Schuldgefühle verspürt, weil sie
nicht bei ihm gewesen war und war erst
lange nach Sonnenaufgang überhaupt wieder
eingeschlafen. Nun verbrachte sie den ganzen Tag mehr oder weniger im Halbschlaf.
„Hör mal zu, Vicki." Celluci holte tief Atem, was man sehr gut über das
Telefon hören konnte. „Was weißt du über Mumien?"
„Meine nervt
mich zu Tode." Sein Schweigen klang nicht so, als hätte er den Scherz verstanden, und so fuhr sie fort: „Die alten einbalsamierten ägyptischen oder die aus den
Monsterfilmen im Frühstücksfernsehen?"
„Beide."
Vicki runzelte die Stirn, nahm den Hörer vom Ohr und starrte ihn an. Das
letzte, einfache Wort war ohne das arrogante Selbstver trauen gesprochen worden, das ansonsten alles färbte, was Mike zu
sagen hatte.
„Sie haben dir den Fall aus dem Museum übertragen." Das wußte sie, da alle Tageszeitungen ihn als
ermittelnden Beamten genannt hatten.
„Ja."
„Willst du mit mir darüber reden?" Selbst auf dem Höhepunkt ih rer
Konkurrenzgefechte hatten sie einander ihre Ideen vorgetragen, diese durchgespielt und durchgefochten, bis jeweils
nur noch der Kern vorhanden war und
hatten dann den jeweiligen Fall von den Grundmauern her neu aufgerollt.
„Ich glaube ..." Er seufzte, und Vickis Stirnrunzeln vertiefte
sich. „Ich muß dein Gesicht dabei sehen."
„Jetzt gleich?"
„Nein. Ich zumindest muß ja für meinen Lebensunterhalt arbeiten. Wie wäre es
mit Abendessen? Ich lade dich ein."
Die Sache ist wirklich ernst! Vicki schob ihre Brille zurecht. „Um sechs im
Champion House?"
„Halb sechs.
Wir treffen uns dort."
Vicki blieb einen Moment sitzen und starrte das Telefon an. Sie hatte
Mike noch nie so verunsichert erlebt. „Mumien ...", sagte sie dann laut und eilte zu dem Haufen Zeitungen in ihrem Büro, den sie in naher Zukunft hatte in die Papiertonne bringen wollen. Sie breitete sie auf ihrer Hantelbank aus und überflog die Artikel über die beiden Todesfälle im Museum. Vierzig Minuten später griff sie nach
einer Hantel und fing an, halbherzig ihren Bizeps zu trainieren. Ihr
Gedächtnis hatte sie nicht im Stich gelassen: laut Detective-Sergeant Michael
Celluci gab es keine Mumie.
Regen fiel, und es war kalt, als er vom Queens Park zurück zu sei nem Hotel ging, aber er befand sich ja auch in Toronto, im Oktober. Dr.
Rax' Ka zufolge war ersteres die natürliche Folge von letzterem. Er hatte beschlossen, Kälte und Regen erst einmal als neue Erfahrung
hinzunehmen, die es zu erforschen und zu erleiden galt. Später, wenn sein Gott
mächtiger geworden war, ließ sich vielleicht auch etwas mit dem Wetter machen.
Der Tag war außerordentlich produktiv gewesen - und noch war er nicht zu
Ende.
Er hatte den ganzen Morgen über im Parlament gesessen und die
Machtströme eingeschätzt, die in dem großen Raum voller schrei ender Männer und Frauen umherwirbelten. Fragestunde nannten sie das. Die
Bezeichnung schien angemessen, denn Fragen hatte es reichlich gegeben, aber
kaum Antworten. Er hatte mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß sich
Regierungen - und alle, die nach Posten
innerhalb derselben strebten - in drei Jahrtausenden nicht wesentlich verändert
hatten. Die Provinzen Ägyptens waren den Provinzen dieses neuen Landes sehr ähnlich gewesen, im Grunde selbständig und nur nominell unter der Kontrolle
der Zentralregierung. Ein System, das er verstand und mit
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