Hulamädchen auf Abwegen
angenehmen Abend gestern?«
»O ja, danke«, lächelte ich.
»Sie müssen mir davon
erzählen«, bat er herzlich. »Manchmal sehen die Touristen mehr als die Leute,
die ihr ganzes Leben hier zubringen, — wie ich. — Wo waren Sie, wenn ich fragen
darf?«
»In der Stadt unten«, erwiderte
ich. »In fünf oder sechs Bars. Leider habe ich vergessen, wie sie hießen — bis
auf eine. Die Hauoli Bar. Dort haben
sie eine sehr gute hawaiianische Tänzerin.«
»Wenn sie wirklich so gut ist,
wie Sie sagen, muß ich sie mir unbedingt ansehen, wenn ich wieder einen freien
Abend habe.« Und nach einem winzigen Zögern fragte er: »Und wie heißt der
Freund, der Sie bat, Miss Arlington aufzusuchen?«
»Reid«, gab ich zurück.
»Emerson Reid. Er hält sich übrigens inzwischen sogar selbst im Hotel auf. Er
traf nur wenige Stunden nach mir hier ein.«
»Kennen Sie zufällig einen
Mann, der Rochelle heißt?« fuhr er in sanftem Ton fort. »Pete Rochelle?«
»Nein. Müßte ich ihn kennen?«
»O nein, lieber nicht, Mr.
Boyd«, lächelte er. »Er ist ein ziemlich übler Bursche mit kriminellem
Einschlag.«
Er sah mich prüfend an.
»Was sind Sie von Beruf, Sir?«
»Ich bin Geschäftsmann«, teilte
ich ihm mit. »Ich habe ein kleines, wenn auch nicht unbedeutendes Unternehmen,
das sich Boyd Enterprises nennt.«
»Oh«, meinte er nachdenklich.
»Haben Sie nicht auch eine Lizenz als Privatdetektiv, die vom Staate New York
ausgestellt ist?«
»Stimmt. Das ist ein Teil
meines Unternehmens«, gab ich zu.
»Nun, dann haben wir ja etwas
Gemeinsames«, sagte er. »Und sind Sie zur Zeit geschäftlich hier, oder machen Sie
Ferien?«
»Ich mache Ferien. Sie wissen
ja, viel Sonne, baden und früh zu Bett gehen.« Bei
diesen Worten blickte ich angestrengt auf meine Armbanduhr.
»Oh!« meinte er und sprang auf.
»Ich bin schrecklich gedankenlos, bitte verzeihen Sie. Ich hatte völlig
vergessen, wie spät es ist!«
»Macht gar nichts«, wehrte ich
großmütig ab.
Ich machte ihm die Tür auf; Lee
gab mir zum Abschied die Hand und trat in den Korridor hinaus.
»Es hat mich sehr gefreut, Sie
kennenzulernen, Mr. Boyd«, sagte er. »Ich hoffe, es gefällt Ihnen weiterhin gut
in unserem Land. Wie lange haben Sie vor hierzubleiben?«
»Das kann ich noch nicht genau
sagen«, erwiderte ich unbestimmt. »Vielleicht eine Woche, vielleicht mehr oder
auch weniger.«
»Versuchen Sie, es so
einzurichten, daß Sie wenigstens ein paar Tage bleiben«, riet er herzlich. »Man
hat erst wirklich etwas von Hawaii, wenn man es ein bißchen besser kennt. Drei
Tage sind so ungefähr das mindeste.«
»Ich werde es versuchen«,
entgegnete ich. »Aber versprechen kann ich es nicht.«
»Ich bin sicher, daß es Ihnen
gelingt.« Das Lächeln verzog sich plötzlich aus seinem Gesicht, bis seine Augen
mich hinter der dicken Hornbrille kalt und leicht verächtlich ansahen.
»Tatsächlich ist es so, Mr.
Boyd«, sagte er langsam und mit Nachdruck, »daß ich sogar darauf bestehe, daß
Sie noch für mindestens drei weitere Tage hierbleiben.«
»Da Sie es sagen«, meinte ich
bekümmert, »bleibt mir ja wohl nichts anderes übrig, als zu gehorchen.«
»Ausgezeichnet!« Er lächelte
wieder. »Gute Nacht, Mr. Boyd.«
» Aloha nui loa , Leutnant .«
»Ah! Sie sprechen ja
schon die Landessprache!« staunte er. »Vermutlich bemühen Sie sich auch schon
um die übrigen Landessitten?«
»Nur um die attraktivsten«,
knurrte ich. »Keine Zeit für Langeweile.«
»Dabei fällt mir noch was ein«,
sagte er. »Diese Ausbuchtung Ihrer hinteren Hosentasche, die Sie so ungeschickt
zu verbergen suchten — ist es nicht sehr unbequem, selbst in den Ferien Ihr
Handwerkszeug mitzuschleppen?« Damit ging er schnellen Schrittes den Flur
entlang, ohne eine Antwort abzuwarten — was mir insofern sehr recht war, als
ich keine gewußt hätte.
Ich schloß die Tür und mixte
mir einen weiteren Drink. Diesen Leutnant Harold Lee mochte ich kein bißchen.
Er war mir einfach zu tüchtig. Aus geziemender Entfernung kann ich einem guten
Polizisten meine Wertschätzung nicht verhehlen. Aus der Nähe betrachtet, flößen
sie mir Angst ein. Zumindest machen sie mich sehr nervös. So wie jetzt. Ich
spürte noch förmlich Lees eisigen Atem in meinem Nacken.
Vielleicht hatte das Mädchen
von der Telefonvermittlung sich an den Anruf erinnert und die Polizei davon
unterrichtet. Aber irgendwie schien mir das wenig glaubhaft. Eine andere
Möglichkeit bestand darin, daß Rochelle mir die Polizei
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