Hulamädchen auf Abwegen
Mörder.«
»So?« fragte ich im Ton offener
Verwunderung. »Wie kommt er bloß auf diese Idee? Es sei denn, Sie haben es ihm
erzählt.«
»Er ist sehr gefährlich, dieser
Rochelle«, sagte Reid. »Und sehr jähzornig, Boyd. Vielleicht wäre es wirklich
besser, Sie würden Hawaii verlassen, solange Sie noch dazu imstande sind.«
»Emerson, stimmt es, was man
sich in Mexiko erzählt?« fragte ich und sah ihn todernst an. »Daß die Mädchen
immer über Bord springen? Und daß Partner immer Selbstmord begehen, wenn die
Rauschgiftschmuggelei zu gefährlich wird, und daß der andere dann immer die
übriggebliebene Jacht billig kauft?«
»Was?« brüllte er. »Was fällt —«
Sein Gesicht war rot wie ein Truthahn. Er holte zu einem Schwinger aus, dem ich
gerade noch ausweichen konnte. Ich trat ihm heftig auf den Fuß und bohrte ihm
drei Finger in seinen Solarplexus.
»Aber Emerson! In der Halle!«
sagte ich vorwurfsvoll, während er sich wand wie ein Kaninchen am Spieß. »Wo
alle Leute uns sehen können. Was sollen die bloß von uns denken!«
Ich führte ihn zum nächstgelegenen
Stuhl und ließ ihn sanft hineinfallen. Er preßte die Hände auf den Magen und
stöhnte. Sein Gesicht war weiß wie ein Laken.
»Möchten Sie, daß ich ein paar
Blumen für Sie bestelle, Emerson?« fragte ich voller Sympathie. Er starrte mich
mit einem so verzerrten Ausdruck an, daß ich es vorzog, mich schleunigst zu
verkrümeln, ehe er mich erneut anfiel.
Ich ging durch die Halle und
durch den prachtvollen tropischen Garten zu meinem Lanai . Immerhin hatte auch ich noch einige Vorbereitungen zu treffen; so mußte ich
mich noch rasieren und umziehen. Nachdem ich geduscht hatte, warf ich mir einen
Bademantel über und ging zum Schrank, um mir was Passendes für unsere
Jungfernfahrt auszusuchen. Da hörte ich, daß draußen an der Tür jemand höflich
klopfte.
Der heutige Morgen stand
offensichtlich im Zeichen alter Freundschaftstreffen: Zuerst war es in der
Halle der gute, alte Emerson Reid gewesen, der mir über den Weg gelaufen war,
jetzt kam Harold Lee an die Reihe. Von einem zum anderen Ohr grinsend, stand er
vor mir im Korridor.
» Aloha kakahiaka !« sagte er strahlend.
» Aloha ,
lieber Freund«, entgegnete ich.
»Darf man hereinkommen?« Seine
Augen blinzelten mir hinter der Brille munter zu.
»Tun Sie, was Sie nicht lassen
können«, legte ich ihm nahe. Er tat es, und ich machte sorgfältig die Tür
hinter ihm zu. Wie immer, wenn mir ein Polizist zu nahe kommt, überlief mich
ein Frösteln, das unter den Haarwurzeln anfing und hinunterglitt bis in die
Zehenspitzen.
»Vor der Hauoli Bar«, begann Lee mit sanfter Stimme, »stand heute morgen ein beschädigter Dodge. Dem Nummernschild nach zu schließen, gehörte er einer
Leihwagengesellschaft, die wiederum bescheinigte, daß er an Sie ausgeliehen
worden war, Mr. Boyd. Habe ich recht oder nicht?«
»Wenn Sie es sagen, wird’s
schon so sein.«
»Sie hatten einen Unfall
damit«, sagte er vorwurfsvoll. »Und Sie haben ihn nicht gemeldet.«
»Ach«, antwortete ich
leichthin. »Sie wissen ja, wie so etwas zugeht: Irgend so ein Trottel ist mir
gestern hineingefahren, während ich den Wagen dort geparkt hatte. Wer’s war,
weiß ich nicht. Jedenfalls dachte ich mir, daß es nicht viel Sinn hätte,
deswegen die Polizei zu belästigen. Ich werde nachher die Versicherung anrufen.
Die wird sich dann des Wagens annehmen.«
»Sie hätten den Vorfall
trotzdem der Polizei melden müssen«, meinte er traurig. »Es ist leider im
bürokratischen Sinn ein Verstoß gegen die Verkehrsordnung.«
»Werden Sie mich daraufhin
einsperren?«
Lee schüttelte langsam den
Kopf. »Ich glaube kaum, Mr. Boyd. Sie sind Gast unseres Landes, und es liegt uns
nichts daran, Ihnen Ihren Aufenthalt zu verderben.«
»Vielen Dank«, sagte ich. »Und
alles Gute!«
»Es hat sich gestern abend noch ein weiterer Unfall zugetragen«, fuhr er
fort. »Ein höchst bedauerlicher Unfall. Oben am Pali-Paß. Ein Wagen überschlug
sich, und dabei wurden zwei Menschen getötet.«
»Das ist wirklich sehr
bedauerlich.«
»Der Wagen ging in Flammen auf,
als er unten aufschlug«, berichtete er. »Er brannte völlig aus. Von den beiden
Insassen blieb so gut wie nichts übrig. Das heißt, durch Zufall ließ sich
gerade noch folgendes feststellen: Der eine Mann ist vorher erschossen worden.
Wir haben nämlich die Kugel gefunden.«
»Sehr interessant«, gab ich zu.
»Wo waren Sie gestern abend , Mr. Boyd? So um halb acht
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