Human
Süchtigen ansehen. Das kannst du mir doch nicht verwehren, oder, Ingrid?«
Sie holte tief Luft. »Okay, Whispr. Ich verspreche, dass ich dir deine falschen Hoffnungen nicht nehmen werde.«
Daraufhin breitete sich ein Lächeln auf seinem schmalen Gesicht aus.
»Was kann ein Mann mehr verlangen?«
16
Der Orange River war deutlich breiter, als Ingrid erwartet hatte, die Stadt dafür wesentlich kleiner.
Sie konnte sich auch nicht erklären, wie der Fluss zu seinem Namen gekommen war. Anstatt orange war er eher braun, schlammig und durchsetzt von Stücken Afrikas, die er aus der Mitte des Kontinents mitgeschwemmt hatte. Seit Millionen von Jahren trug er zwischen dem Dreck auch Diamanten mit sich. Er trug die hochwertigen Steine von der Mündung am kühlen Benguela-Strom in den Norden, um sie dort auf dem Meeresboden, an den Küsten und dem terrassenförmigen Ufer des Sperrgebiets liegen zu lassen.
In dieser verbotenen Zone hatte die moderne Technologie den Abbau weiterhin ermöglicht. Neue Technologien wie Meereswälle aus Sprühschaum ermöglichten es der Namdeb Corporation (einer Unterabteilung von SAHV Ltd.), das hungrige Meer auf Abstand zu halten. Solar- und windbetriebene Pumpen verhinderten, dass der Ozean zu weit vordrang und die riesigen Abbaugebiete überschwemmte. Meld-Arbeiter, deren Haut manipuliert worden war, damit sie die sengende Sonne der Namib ertrugen, arbeiteten in lächerlich dünner Kleidung rund um die Uhr. Die Unterstützung des Diamantenabbaus war mehr noch als der Tourismus und der Fischfang der Grund dafür, dass Orangemund noch existierte. Die Stadt beherbergte keine Nebenanlagen des Forschungszentrums im fernen Nerens, und es gab auch keine Straße, die die beiden SAHV -Unternehmen miteinander verband.
Vusi war in Vloolsdrift von der Straße abgefahren und hatte sich seitdem nur noch auf das Fahren konzentriert. Jetzt lenkte er den großen Truck über eine Brücke, die über den Orange führte. Nach endlosen Kilometern im Namaqualand und dem südlichsten Teil der Namib war der Anblick des breiten, ruhig dahinfließenden Flusses fast schon schockierend. Die Neustadt, die auf historischen Gebäuden aus der Hochzeit des Abbaus errichtet worden war, stellte eine architektonische Enttäuschung dar, in der die kulturell unbedeutenden einstöckigen Häuser durch klimatisierte Fußgängerwege miteinander verbunden waren. Die Heimat von mehreren Tausend Menschen sah durch und durch zweckmäßig und langweilig aus. Gepflasterte Straßen zogen sich wie vom Regen getränkte Ströme durch sie hindurch und verschwanden in langen, flachen Flächen aus Sand und Kies. Ingrids Meinung nach war die einzige echte Attraktion an diesem Ort die Luft, die klarer und reiner war als überall sonst.
Sie wurden alle ein wenig nervös, als sie sich am Wachposten der Gemeinde anmeldeten. Die Altstadt war zwar ausgeblichen und historisch, die Waffen in den Händen der Wachen oder die Technologie, mit der sie die Identität der Besucher überprüften, hatten jedoch nichts Altmodisches an sich.
Vusi parkte den Truck. Unter den wachsamen Blicken von vier Männern und Frauen wurden sie zu einem fensterlosen weißen Gebäude in der Nähe eskortiert, über dessen klimaversiegelter Doppeltür ein Schild hing, auf dem stand: »Willkommen in Orangemund.« Das Bild eines miniaturisierten Orange River, dessen Enden in der Luft verblassten, floss in drei Dimensionen gurgelnd durch den Bogen. Das animierte Holo sah viel klarer und einladender aus als sein eigentlicher Namensgeber, fand Ingrid.
Der stämmige Beamte, der hinter einem einfachen Schreibtisch saß, hatte keine Haare, dunkle, manipulierte Haut und nur eine Augenbraue – eine seltsame Modeerscheinung. Er nahm ihre Ausweise entgegen, ohne sie zu begrüßen. Die Papiere wurden nacheinander in ein Lesegerät geschoben, während ein visueller Scanner ihre Körper umspielte und sie erhellte.
»Was ist der Grund für Ihren Besuch in Orangemund?« Draußen war es heiß, und Ingrid hatte das Gefühl, dass es drinnen auch recht schnell wärmer wurde.
»Ich transportiere Früchte und Gemüse aus der Karoo.« Vusi wirkte wie jemand, der das schon einhundert Mal zuvor gemacht hatte und der erwartete, es weitere einhundert Mal machen zu müssen. »Von der Farm meines Vetters. Ich hatte zwischen zwei Auftragsfahrten eine Woche frei, und wir dachten uns, wir könnten ein bisschen Geld verdienen, indem wir alles an einem weit entfernten Ort verkaufen.«
Der Beamte knurrte
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