Human
oder doch nur ein hungriger Vogel auf der Jagd? Auf einmal fühlte er sich dem schwarz-weißen Aasfresser irgendwie verbunden.
»Nein, es ist alles in Ordnung.«
Ihr Grinsen verblasste, je länger sie ihn anstarrte. »Warum siehst du mich dann so an?«
Er wandte sich ab, ebenso von ihr wie von seinen finsteren Gedanken. »Ich sehe nicht dich an, Doc. Es ist nur so … Ich mag keine Höhen, das ist alles.«
Daraufhin ging sie an ihm vorbei auf die Bahn zu. »Die Höhe schien dich in meiner Wohnung in Savannah aber nicht gestört zu haben.«
Er war froh über die Gelegenheit, das Thema wechseln und auf andere Gedanken kommen zu können. »Das war was anderes. Es war ein geschlossener Raum, und ich hatte viele Unterhaltungsgeräte, um mich abzulenken. Und es gab was zu essen. Was mich daran erinnert: Ich hab Hunger.«
»Das muss an der Luft liegen.«
»Ja«, stimmte er ihr zu, »das liegt bestimmt an der Luft.«
Während sie wieder nach unten fuhren, sagte er nichts. Sie war noch immer zu fasziniert von ihrer Umgebung, um seine Schweigsamkeit wirklich zu bemerken – und falls sie es doch tat, dann wollte sie seine ungewöhnliche Sprachlosigkeit anscheinend nicht kommentieren.
Sie wussten nichts davon, dass zwei Drittel einer kriminellen Verfolgergruppe, die weniger als einen Tag davon entfernt gewesen war, Kontakt zu ihnen herzustellen, früher an diesem Nachmittag einen ebenso primitiven wie schmerzvollen Tod erlitten hatten, als sie eine Anfrage in eine schwebende Sphäre eingaben, die sich vor dem Souvenirshop befand. Diese bot ihnen eine Liste an Optionen an, aus der sie sich eine ansässige Transportfirma heraussuchten. Diese waren preiswerter, und ihre Datenbank würde aufgrund ihres Gesuchs vermutlich keinen Alarm auslösen, was letzten Endes noch wichtiger und bei einer internationalen Leihfirma eher unwahrscheinlich war.
Als sie in dem kleinen öffentlichen Transportmittel saßen, das sich langsam den Weg in Richtung Innenstadt bahnte, hatten sie genug Zeit, um auszudiskutieren, welche Art von Fahrzeug sie für den Rest der Reise mieten wollten.
»Es muss unauffällig sein.« Whispr war ernster als jemals zuvor. »Wir dürfen auf keinen Fall Aufmerksamkeit erregen. Und es muss auch sehr robust sein.« Er sah ihr in die Augen. »Denn wir werden unerwartet und unangekündigt an unserem Ziel auftauchen, was bedeutet, dass wir nicht die Straße nehmen können.«
Sie stimmte ihm zu. Hinter ihr saß ein Herr mittleren Alters mit Anzug, Krawatte und einem Bowlerhut, den zwei nach hinten zeigende gelbe Vogelfedern zierten, sowie der Kriegsbemalung eines bekannten internationalen Konglomerats, der sich auf die linke Seite seiner Designerbrille konzentrierte, die von einem Projektor ausgefüllt wurde. Während er mit dem rechten Auge die Welt innerhalb des Transporters und die vorbeikommenden Passanten betrachtete, war das andere in eine kleine, aber immer noch dreidimensionale Episode einer hier produzierten Seifenopervertieft. Die schwülstigen, aber auch süchtig machenden Dialoge wurden per Induktionsbuchse übertragen, die sich in seinem linken Ohr befand. Das leise Zischen zweier einander ankreischender Frauen war aufgrund des Ratterns des öffentlichen Transportmittels kaum zu hören. Ingrid ignorierte den gut gekleideten Mann und seine halb private Unterhaltungsmethode und beachtete auch die anderen Natural- und Meld-Pendler, die sich zusammen mit ihr und Whispr in dem Wagen drängten, nicht.
»Ich habe immer geglaubt, dass wir es so machen müssen«, fügte sie hinzu. »Wir können wohl kaum auf den Parkplatz der Firma fahren, vorausgesetzt, die Anlage, die wir suchen, hat überhaupt einen, zum Haupteingang gehen und um eine Führung bitten.« Ihr Gesichtsausdruck wurde ernst. »Mein Geld wird uns bis zu dieser Tür bringen. Dann liegt es an dir und deinen Künsten, dass wir auch hineinkommen.«
Und erst recht wieder raus , dachte er bekümmert. »Angenommen, wir kommen rein, was dann? Du kannst den Faden ja nicht einfach irgendjemandem vors Gesicht halten und erwarten, dass er uns alles darüber erzählt.«
Die Entschlossenheit, mit der sie ihm antwortete, überraschte ihn nicht. Sie konnte wankelmütig und unentschlossen sein – allerdings nur, wenn es nicht um die Wissenschaft ging. Dann wurde sie so hart wie Stahl. Es musste wunderbar sein, jeglichen Realitätssinn opfern zu können in der Hoffnung, ein oder zwei neue Fakten zu erlangen, dachte er.
»Ich habe vor, mich als
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