Human
besonderen Auftrags hatte rumschlagen müssen, zu entschädigen. Denn sobald der Roadster die Sicherheitsumzäunung des Lagers verlassen hatte, fuhr er nach rechts ins Innere des Reservats und nicht die Straße entlang, die zum Ausgang führte. Seine Opfer wollten erneut Tiere beobachten oder ein Picknick machen. Warum sie sich dafür entschieden hatten, weiter ins Reservat zu fahren, anstatt abzureisen, war ohne Belang. Es würde so oder so auf dieselbe Weise enden.
Und als ob das noch nicht genug wäre, hatten sie an diesem Morgen pflichtbewusst ausgecheckt, was sich schnell und einfach bestätigen ließ. Laut des elektronischen Gästebuchs der Lodge hatten sie keine weiteren Informationen oder Reiseziele hinterlassen, sondern einfach nur gepackt und all ihre Habseligkeiten mitgenommen und schienen allem Anschein nach einen weiteren Morgen oder Tag im Reservat verbringen zu wollen, bevor sie weiterreisten.
Das war sehr rücksichtsvoll von ihnen, dachte Molé und machte sich bereit, ihnen in seinem eigenen Wagen zu folgen. Er durfte nicht vergessen, ihnen dafür zu danken, bevor er sie umbrachte.
***
Whispr fuhr die am wenigsten befahrene Strecke in Richtung Nordwesten entlang, machte es sich hinter dem Lenkrad bequem und hielt Ausschau nach Tieren. Je weiter sie sich vom Nebenarm des Kakoenshook River entfernten, desto weniger Einwohner von Sanbona bekamen sie zu sehen. Schließlich wurde ihm klar, dass sie vermutlich keinen größeren Gruppen mehr begegnen würden, bevor sie den Touws wieder erreichten.
Das bedeutete jedoch nicht, dass sie überhaupt keine Tiere sahen. Zwischen einige Granitfelsen stießen sie auf eine Herde grasender Impalas. Erschreckt durch den leise heranrollenden Roadster stoben sie in alle Richtungen davon wie unzählige Blasen, die aus dem Hals einer gut geschüttelten Champagnerflasche perlten. Sie sahen auch zahllose farbenfrohe Vögel, und als Bonus erschien sogar eine ganze Familie Hipparions. Die interessant gestreiften ponygroßen Pferde stießen ein quietschendes Wiehern aus und rannten vor dem sich nähernden Wagen davon, dass es aussah, als wären die Tiere von einem Karussell geflohen. Anders als am vorherigen Tag kreuzten jedoch keine Mastodons, Nashörner oder wiederbelebte Exemplare der Megafauna den Weg des Roadsters.
Ingrid blickte aus dem geöffneten Fenster in die zerklüftete, felsige Umgebung hinaus und holte tief Luft. Die Gerüche, die von dem Gelände ausgingen, unterschieden sich deutlich von jenen, die sie aus ihrer Heimat kannte. In Savannah war die Luft lehmig, feucht und angereichert mit den aromatischen Düften gesunder und sterbender Pflanzen. Sanbona war trocken, aber auch keine Wüste; eben einfach Karoo. Da die Gerüche nicht von der Feuchtigkeit überlagert wurden, erschienen sie ihr klarer und andersartiger zu sein. Sie roch Gras, einen Hauch Moschus, trockenes Holz, exotischen Kot, und all diese Gerüche schienen ihre Nase auf ganz andere und intensivere Weise zu überfluten, als es im Südosten Namerikas der Fall war. Auch wenn sie für ihre Sinne alle wie Wein waren, war es, als wäre sie beim Essen von einem Shiraz zu einem Chardonnay gewechselt.
Als sie das Whispr gegenüber erwähnte, brachte seine ruppige Erwiderung sein Unverständnis zum Ausdruck.
»Ich bin hier, um Tiere zu sehen, nicht, um den Gestank zu bewerten.«
Darauf konnte sie nur mit einem Tadel reagieren. »Du hast schon jede Menge Tiere gesehen. Warum erweiterst du nicht mal deinen Horizont und öffnest dich selbst für neue Empfindungen?« Erstaunt stellte sie fest, wie entspannt sie war, dass ihr die holprige Straße nichts ausmachte und sie ihn einfach so kritisierte. Anscheinend war sie jetzt komplett im Urlaubsmodus, wobei sich dieser sehr von der üblichen Routine unterschied, bei der sie mit Freunden aus dem Turm in Dubaia saß und Margaritas trank. Dies mochte zwar weniger zivilisiert sein, war aber weitaus erfüllender.
»Hab’s doch nicht so eilig«, meckerte er. »Wir werden schon noch eine Menge ›neuer Empfindungen‹ erleben, spätestens wenn wir versuchen, an der Saft -Sicherheit vorbeizukommen.« Er fuhr damit fort, den hügligen Horizont nach Anzeigen für wiederbelebte Huftiere abzusuchen.
Sie seufzte. »Ich befürchte, dass dich deine Paranoia nie lange genug verlassen wird, damit du das Leben genießen kannst, Whispr.«
»Ich genieße das Leben, Doc«, erwiderte er. »Vor allem genieße ich es, dass ich noch am Leben bin. Am Leben zu bleiben ist das,
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