Hummeldumm
blöde Büro. Wir haben ja noch meine alte Kleinbildkamera für die Fotos, wir haben uns, und selbst wenn alles schiefläuft, also wirklich alles, dann haben wir immer noch unsere neue Wohnung!«
»Stimmt«, seufzte ich und gab Sina einen Kuss. Dann löschte ich das Licht. »Die Wohnung haben wir in jedem Fall noch!«
14
Nach einer Nacht ohne Schlaf gibt es nichts Widerwärtigeres als die gute Laune anderer Leute, und natürlich war der nächtliche Schmuseversuch von Warzenschwein Otti das Top-Thema am Frühstückstisch. Sina schien dabei nicht so recht zu wissen, wie sie sich verhalten sollte. Mal lachte sie mit, dann wieder blickte sie mich an, als hätte sie mich an eine amerikanische Sekte verloren.
Aus Trixi hingegen sprudelte es nur so heraus: wie sie das Licht im Zimmer anmacht und Otti quer über dem Bett liegt, wie ich die Tür vor ihrer Nase zuhaue und wie Farmer Nolte und Kevin den schnaubenden Otti schließlich mit einem Apfel aus Trixis Bett locken. Seppelpeter-TV war natürlich die ganze Zeit vor Ort, und letztendlich war dann auch ein runzeliges Warzenschwein der Grund, warum ich immer noch keinen passenden Adapter hatte, denn nun waren Seppelpeters Kamera-Akkus wieder leer, und natürlich dachte er gar nicht daran, den Adapter herauszurücken. Dafür reichte er mir dann am Frühstückstisch versöhnlich seine Videokamera.
»Ge Matze, jetzt schau, der Oddi!« »Nein, danke!«
Ich wollte die Aufnahmen nicht sehen. Ich wollte unsere Gruppe nicht sehen. Ich wollte überhaupt niemanden mehr sehen: Brenda und Breitling nicht, die sich um halb acht mit winzigen Augen bereits den ersten Sekt gönnten, Trixi nicht, die, verklatscht, wie sie war, gerade heißen Kaffee in eine Zuckerdose schüttete (>Also das ist ja wieder typisch, dass ich ...<), und auch Supersportier Schnabel nicht, der zwischen Sonnenaufgang und Frühstück noch eine Stunde laufen war und dessen grünes Stretch-Shirt sich wie ein Luftballon über die Brust spannte. Am allerwenigsten freilich konnte ich an diesem Morgen einen ausgeschlafenen Witzprofessor ertragen, der schon nach dem ersten Schluck Kaffee einen Kalauer nach dem anderen in den Frühstücksraum schleuderte.
»Ge Trixi, dös host net dacht, dass du im Urlaub amal so a Schwein hast, oder? Hahaha ...«
Angespannt blickte ich auf die Uhr. Es war nun fast acht Uhr. Ein paar Minuten noch, bis Herr Pfingst von der Sparkasse am Arbeitsplatz säße, rechnete man die Stunde Zeitverschiebung hinzu.
»I hoff, dass es di net angeniest hat. Sonst muss i mi gegen di a no impfen lassen wegen der Schweinegrippen! Hahaha ...«
Da gleich die Abfahrt geplant war, würde ich mir in jedem Fall irgendetwas einfallen lassen müssen, damit ich noch ungestört telefonieren konnte. Kraftlos piekste ich mit der Gabel in ein winziges Stück kaltes Rührei. Sinas Hand strich über meinen Oberschenkel, was beruhigend wirkte für den Moment, ich versuchte mich an einem Lächeln, und fast gelang es mir, bis auch noch Breitling in die Witzparade einstieg. Mit gespielter Betroffenheit sagte er: »Weißt du, Trixi, ich versteh dich ja. Das hätte uns allen passieren können: die Einsamkeit hier, der gute Wein, die Sehnsucht ...«
Und wieder dröhnte das Gelächter durch den Raum. Bahee schüttelte grinsend den Kopf und sagte: »Nenenenene, die Otti wieder, der is mal ein Nummer hier!«
Trixi ließ den Spott mit großer Geduld über sich ergehen, ja, sie wehrte sich nicht einmal, als Speckhut tröstend seinen Arm um sie legte.
»Darfst aber net traurig sein, Trixi, wenn sich der Otti nimmer möldet, dees is a Urlaubsflirt für den, mehr net! Hahaha!«
Das Gelächter am Tisch erreichte einen Pegel, den selbst ein Dortmunder Kegelklub nicht hätte toppen können. Das war zu viel. Ich knallte die Gabel auf den Tisch und lachte mit. Laut. »Hahahahahaha!«, lachte ich, zu laut vielleicht, denn mit einem Mal lag eine schwere Stille über dem Tisch. Klick Klack machte die schwere alte Standuhr am Ende des Raumes, aus der Küche hörte ich das Klappern von Geschirr. Ich wurde begafft, als wäre ich verrückt geworden. Dann klatschte ein kleiner roter Tropfen von meiner Nase auf die weiße Tischdecke.
»Matze«, flüsterte Sina, »du blutest wieder!«
Hektisch drückte ich auf meinen Nasenflügel und rannte zum Klo, wo ich das Blut ins Waschbecken tropfen ließ. In Sekundenschnelle war das komplette Waschbecken mit roten Flecken besprenkelt. Sina kam herein, verschwand wieder und kehrte mit einem
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