Hummeldumm
Wüsten-Zeitung: >Und da hat sich dann mal eine weiße Pärchen hier gestritten, und da sieht man ganz genau, dass die Weibchen ist weggehupft und hat sich eine andere Männchen mal gesucht, ne!<
Ich stöhnte ein erschöpftes »Scheiße!«, drehte mich auf den Rücken, blickte nach oben in die glitzernden Sterne und nahm eine gute Lunge voll der kalten Wüstenluft. Wahrscheinlich würde es das Beste sein, am nächsten Morgen mit Sina über alles zu reden. Wahrscheinlich kam sie ohnehin gleich zurückgedackelt mit ihrem Blechbettchen.
Was wollte sie denn da draußen? Sie, die schon beim kleinsten Geräusch Todesangst bekam und schreiend aus Kölner Baggerseen stürzte, weil ein Fischchen sie am Bein gestippt hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie zurückkäme, und dann würden wir uns wieder vertragen, und morgen würde ich mit Bahees Handy alles regeln, und dann würde der Urlaub halt zum zweiten Mal beginnen.
Mit diesen Gedanken beruhigte ich mich, und Minute um Minute wurde ich ein bisschen müder und war schließlich fast eingeschlafen, als ich ein seltsames Zischen hörte. War das Sina? Vorsichtig öffnete ich ein Auge und hielt den Atem an: Keine zwei Meter neben meinem Bett lag eine poolnudelgroße Schlange im roten Sand! Blitzartig zog ich meine Beine an mich heran und beschloss, mich nicht mehr zu bewegen, bis die Gefahr vorüber war. Leider hatte die Schlange die gleiche Strategie, und so verharrten wir beide mehrere Minuten regungslos nebeneinander. Ich überlegte, ob ich die anderen warnen sollte. Als die Schlange sich nach weiteren fünf Minuten immer noch nicht gerührt hatte, formte ich meine Hände zu einem Trichter und schrie: »Wir haben eine Schlange hier! Schlangenalarm!«
Die Antwort schallte ebenso laut und mit österreichischem Akzent.
»Tu uns an G'falln und halt endlich di Pappn!«
Speckhut! Hatte der denn gar keine Angst vor Riesenschlangen?
»Eine Riesenschlange ist das! Riesenschlangen-Alarm!«
»A Riesenruh war a net schlecht!«, tönte Speckhut zurück, und aus einigen Schlafsäcken drang Gekicher. Ich fragte mich, ob sie noch immer kichern würden, wenn ihnen eine fünf Meter lange Black Mamba am Arsch hing. In jedem Fall konnte ich hier nicht bleiben. Die Schlange im Auge behaltend, setzte ich mich im Zeitlupentempo samt Schlafsack aufs Bett und stand vorsichtig auf. Meine Hände klappte ich im Inneren so nach hinten, dass ich das Feldbett hinter mir herziehen konnte, ohne den Schlafsack zu verlassen: Wenn das Biest also zubiss, dann waren zumindest noch zehn Zentimeter Schlafsack zwischen meinem Bein und den Giftzähnen.
Sinas Spur im Sand folgend, hupfte ich mit dem Bett in den Händen los, erst langsam, dann immer schneller. Ein halber Mond schien auf unser Camp, ich konnte also recht gut sehen. Das Ziehen des Feldbettes im Schlafsack war anstrengender, als ich dachte, doch ich musste schon ziemlich nah an Sinas neuem Schlafplatz sein. Behutsam zog ich das Feldbett über eine letzte Düne und versteinerte. Dort, im Schutz mehrerer Sträucher, standen beim Schein einer Öllampe zwei Feldbetten nebeneinander. Das eine war leer, auf dem anderen saßen sich Sina und der 1011. des Ironman Hawaii gegenüber und redeten. Sie bemerkten mich nicht. Und das sollte auch so bleiben. So leise, wie ich gekommen war, zog ich mein Feldbett wieder hinter die Düne, legte mich hin und blickte nach oben.
Der Wind war schwächer geworden, der prächtige Sternenhimmel funkelte und blinkte über mir wie die Leuchtschlange eines Döner-Imbisses in Köln-Ehrenfeld. Mein Herz pumpte wie bekloppt. Hatte Sina also doch was mit diesem Gilette-Ossi! Küssten sich die beiden vielleicht schon? Nach sieben Jahren Beziehung und nach so einem bescheuerten Streit konnte das durchaus sein!
Zornig warf ich mich samt Schlafsack auf den Bauch. Ich wollte die Sterne nicht mehr sehen, wie sie ihre verschissene Romantik auf die Falschen warfen. Leider landete ich mit meinem Kinn auf dem Metallrahmen, was sehr wehtat. Dann hörte ich Sina lachen; es war ein befreites Lachen, das ich so lange nicht mehr gehört hatte. Ich schloss die Augen. Warum lachte sie denn jetzt? Der Typ war doch ein Langweiler! Lachten sie vielleicht über mich? Vorsichtig drehte ich meinen Kopf, blickte noch einmal hinaus ins fahl erleuchtete, endlose Land, und plötzlich beruhigte mich die Weite gar nicht mehr. Im Gegenteil: Ich fühlte mich nun noch einsamer, kleiner, unbedeutender. Von wegen — man sieht immer, was kommt. Man
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