Hummeldumm
Ebenfalls noch im Schlafsack und mit roter Zipfelmütze saß er gute fünfzig Meter unterhalb von mir und nahm laut scherzend einen Pott Kaffee von Bahees Tablett. »Nur an Kaffee? Hast kaan Verlängerten oder wenigstens a Melange?«, war das Erste, was ich an diesem Morgen hörte. »Ne, nur Kaffee, ne, hehe!«, war das Zweite.
Ich dachte kurz daran, Speckhut mit irgendetwas zu bewerfen, doch leider war kein brauchbares Wurfgeschoss in der Nähe. Die Gruberin, die ihr Feldbett in sicherer Entfernung zu ihrem Gatten positioniert hatte, tat hingegen das einzig Richtige: Sie schlief weiter. Ich würde sie unbedingt mal fragen müssen, wie sie die mentale Glanzleistung fertigbrachte, ihren Mann komplett auszublenden.
Erst als Bahee mit den drei verbleibenden Kaffeepots auf dem Tablett zu mir stampfte, tröpfelten die durchaus beklemmenden Bilder der letzten Nacht in mein Bewusstsein zurück, und langsam bewegte ich meinen Kopf zu dem vereisten Feldbett neben mir. Allerdings blickte ich nicht in die Augen meiner geliebten Freundin, sondern in die eines verlebten Düsseldorfer Immobilienmaklers mit fettigen, grauen Haaren und Zigarette im Mund.
»Schöne Scheiße, oder?«
»Absolut!«
Bahee hatte sich inzwischen mit dem Kaffeetablett durch den knöcheltiefen Sand zu unserem Schlafplatz gekämpft. »So, Jungs! Jetzt gibt's hier mal einen ordentlichen Kaffee, ne, den hat der Friedrich gerade noch frisch aufgebrüht. Habt ihr denn gut geschlafen ohne eure Mädels?«
Breitling und ich antworteten zeitgleich.
»Nein!«
Noch mit der Kaffeetasse schlich ich zur Düne, hinter der ich Sina und Schnabel vermutete. Die beiden Betten waren jedoch schon verlassen, die Schlafsäcke zusammengerollt. Zeit für mich, die >Namib Newspaper< zu lesen. Waren die Betten vielleicht durch gewisse Bewegungen tiefer eingesunken? Die Kaffeetasse in der Hand kniete ich vor dem Feldbett wie ein US-Cop am Tatort. Beruhigt erhob ich mich wieder: Weder Schnabels noch Sinas Bett, das an der Schleifspur leicht zu erkennen war, war ungewöhnlich tief eingedrückt. Ich überlegte kurz und nahm einen Schluck Kaffee. Dann rollte ich beide Schlafsäcke auf und hielt die Hand hinein. War einer vielleicht wärmer als der andere? Sah einer unbenutzt aus? Ich konnte keinen Temperaturunterschied feststellen und rollte sie wieder zusammen. Dann ließ ich meinen Blick über den Sand um die beiden Betten wandern. Doch dort waren einfach zu viele Fußspuren, als dass ich hätte schlussfolgern können, ob das Thüringer Männchen vielleicht um mein Weibchen herumgehupft war oder andersherum.
»Matze? Winkama!«
Erschrocken riss ich meinen Kopf herum und blickte fragend nach oben, wo die komplette Reisegruppe stand und mir bei der Spurensicherung zuschaute. Seppelpeter filmte mich, Bahee winkte mir.
»Frühstück!«
Bing!
Verlegen tapste ich zurück zu meinem rosa Rucksack und machte mich fertig für den sechsten Tag zwischen Feldbett und Funkloch.
Wie bereits das Abendessen fand das richtige Frühstück unter freiem Himmel am Gemeinschaftstisch statt. Ich saß Breitling gegenüber am rechten Ende des Tisches, Sina hatte nach einem unterkühlten »Guten Morgen!« mit Brenda am anderen Ende Platz genommen. Es gab Cornflakes, Brot mit Wurst und Käse oder Marmelade, ja sogar Eier, was eine tolle Idee war, aber nutzlos, weil ich keinen Hunger hatte. Kurz darauf schlug auch Schnabel in schnittiger Hightech-Sportswear auf.
»Bist du schon mal rumgerannt, ne?«, wollte Bahee wissen.
»No!«, entgegnete Schnabel, griff sich einen Apfel, den er an seiner engen Trainingsjacke sauberrieb, und verschwand damit. Ich schaute rüber zu Sina, doch sie erwiderte meinen Blick nicht. Ich war ernsthaft irritiert: In den sieben Jahren unserer Beziehung hatte es wohl den ein oder anderen Streit gegeben, eine solch unterirdische Soapopera aber nicht. Gut, Beweise hatte ich keine, aber war es vielleicht doch nicht nur beim Quatschen geblieben in der Nacht? Ein Streit mit dem übellaunigen Freund, ein durchtrainierter und geschickter Lover, der schöne Komplimente macht, eine romantische Nacht in der Wüste ...
Mir wurde noch schlechter, als mir eh schon war, und als hätte man mir die Luft aus dem Arm gelassen, glitt mein Käsebrötchen zurück auf den Teller. Meine wirren Gedanken vermengten sich mit den sinnfreien Anekdoten der vorangegangenen Wüstenübernachtung: Speckhut hatte angeblich einen gefährlichen Kapfuchs gesehen, der bis an sein Bett gekommen war. Brenda
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