Hundejäger töten leise
Gesicht geschnitten. Unter der
Hakennase hing ein weißer, buschiger Schnauzbart. Zwischen den künstlichen
Zähnen hing der Stiel einer Shagpfeife. Wolken entquollen ihr, als gebe Finke
Rauchsignale. Er trug ein militärisch geschnittenes Hemd und khakifarbene
Hosen.
„Dürfen wir reinkommen?“ fragte
Locke.
„Wenn es sein muß.“
Leise sagte Tom: „Mit der
Adresse hast du dich offenbar vergriffen.“
„Abwarten“, flüsterte sie, ehe
sie laut erwiderte: „Wir möchten um eine kurze Unterredung bitten, Herr Finke.
Es betrifft Tierschutz im weitesten Sinne.“
„Ich spende nichts“, kam die
Antwort.
„Wir wollen kein Geld.“
Locke stellte ihren Roller an
den Zaun und ging, gefolgt von Tom, durch die Pforte.
Die beiden Männer rührten sich
nicht.
Der andere war erheblich jünger
als Finke, aber auch Mitte Fünfzig, mindestens. Er trug eine
schwarzweiß-karierte Hose. Der Speck von Bauch und Hüften quoll über den
Gürtel. Durch das Netzhemd schimmerte rosige Haut. Rosig war auch das feiste
Gesicht mit dem Doppelkinn. Er schien ständig zu lächeln. Nur seine Augen taten
da nicht mit. Sie erinnerten Locke an das starre Glotzen eines Raubfisches.
Mit bezauberndem Lächeln sagte
sie: „Ich heiße Nina Rehm, das ist mein Freund Tom Conradi. Wir machen uns
Sorgen wegen der zunehmenden Tierdiebstähle. Leider unternehmen die Behörden
dagegen fast nichts. Deshalb wollen wir versuchen, den Hundejägern das grausige
Handwerk zu legen. Auch Ihr Othello wurde gestohlen.“
Finke musterte die beiden.
Seine Miene war grimmig. Und das blieb sie. Lockes Lächeln prallte an ihm ab,
als hätte er längst vergessen, daß ein hübsches Mädchen Männer um den Finger
wickeln kann. Den Schimmer ihrer dunklen Augen schien er nicht zu bemerken.
„Was wollt ihr? Euch mit den
Hundejägern anlegen? Wohl ein Witz, hähähäh.“
„Keineswegs“, sagte Locke.
„Und wie stellt ihr euch das
vor?“
Locke zögerte. Tom schien recht
zu haben. H. H. Alderich Finke war anscheinend nicht der Richtige für ihr
Vorhaben. Ihn ins Vertrauen zu ziehen, würde der Sache schaden. Außerdem war da
noch dieser feiste Mensch in seiner karierten Hose. Der glubschte, daß die
Neugier ihm fast aus den Augen lief.
„Wir sammeln Fotos von
gestohlenen Tieren“, antwortete sie auf Finkes Frage. „Von Tieren, die sich
deutlich aus ihrer Rasse abheben. Seltene Mischlinge, zum Beispiel. Die Fotos
wollen wir vervielfältigen und unter unseren Schulkameraden verteilen. Wenn
alle die Augen offen halten, wird das eine oder andere Tier vielleicht
gesichtet.“
„Damit erreicht ihr gar
nichts.“ Finke biß auf seinen Pfeifenstiel. „Ist dummes Zeug. Und nutzlos.
Meinen armen Othello bringt mir niemand zurück.“
„Könnten Sie uns trotzdem ein
Foto von ihm geben?“ Locke blieb hartnäckig.
„Ich fotografiere nicht.“
„Sie haben kein Foto?“
„Nein. Nicht mal von mir.“
Totale Pleite! dachte Locke.
Aber...
„Vielleicht kann ich
aushelfen“, mischte der Feiste sich in ihre Gedanken. „Vor zwei Wochen habe ich
hier im Garten geknipst. Othello stand am Zaun. Aufgerichtet. Ich glaube, er
ist ganz gut zu erkennen.“
„Das wäre ja stark“, freute
sich Locke.
Finke machte ein Gesicht, als
hätte er noch eine abfällige Bemerkung auf seiner vom Tabaksaft gebräunten
Zunge. Doch eine Frauenstimme kam ihm zuvor.
Sie kam aus einem Fenster des
Finke’schen Hauses, der alten Villa. Eine Gardine freilich, die schlaff in der
Windstille hing, verdeckte die Frau.
„Hans-Henning!“ keifte sie.
„Vielleicht kommst du endlich rein! Oder soll ich allein weitermachen?“
Worum es ging, blieb ungesagt.
Vermutlich um eine Hausarbeit, von der H. H. — Hans-Henning, also — sich bis
jetzt gedrückt hatte.
Immerhin: so harsch er sich gab
— der Respekt vor seiner Ehehälfte saß ihm in Fleisch und Blut. Er war förmlich
zusammengezuckt, und die Pfeife schuckelte zwischen seinen Zähnen, daß ein
bißchen Glut zu Boden fiel.
„Mein Tiger verlangt nach mir.
Bis später, Helmut“, sagte er zu dem Feisten — und strebte mit beachtlicher
Eile zum Haus.
Helmut grinste. „Kommt rüber!“
sagte er. „Muß ich euch schon siezen?“
Locke schüttelte den Kopf.
„Darauf legen wir keinen Wert, wenn man uns ansonsten höflich behandelt — wie
wir es ja auch tun. Ich werde erst 15, Tom bald 16. Damit liegen wir auf der
Kippe zwischen Du und Sie.“
„Ich heiße Schmied“, sagte er.
„Wie der Kupferschmied. Nur ohne Kupfer.
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