Hundejäger töten leise
Nische.
Er hatte ein süffisantes (selbstgefällig:
von oben herab) Gesicht. Seine Augen glitzerten. Im Mund schimmerten
Goldkronen. Er schien sich für einen Frauentyp zu halten und kleidete sich
affig: mit weißem Seidenhalstuch zum blauen Hemd. Er mochte Mitte Vierzig sein.
Interessiert sah er zu Locke
her, blieb dann aber bei seinem Entschluß, zum Klo zu gehen.
Die Serviererin brachte Locke
den Tee.
Ich kann’s noch nicht fassen,
dachte sie. Wer sich rührt, wird eben belohnt. Jetzt wissen wir’s. Fast alles
wissen wir. Nur weil wir im richtigen Moment am richtigen Ort waren. Naja, und
ein bißchen Glück muß man haben. Lämmel und Porczik — so heißen die Schläger.
Außerdem sind’s Hundejäger — wie Aspe, Herbst und — diese Frau. Und Mäuchlers
Bemerkung, daß Danny hoffentlich bei seiner Aussage bleibe, er habe das
Rauschgift von einem Unbekannten — und nicht von ihm! — das heißt doch
eindeutig: Er, Mäuchler, ist der Rauschgiftlieferant. Klar! Ein Dr. med. (Arzt) oder Dr. med. vet. (Tierarzt) — oder was auch immer er ist, dieser
sadistische Strolch, so ein Dr. kommt natürlich ran an Chemikalien, zweifelhafte
Medikamente, Drogen — und Rauschgift. Jetzt haben wir die Brechstange in der
Hand. Damit können wir sie niederreißen, diese Mauer aus Gemeinheit,
Niedertracht und Tierquälerei.
Ihre dunklen Augen blitzten und
ihre Wangen glühten, während sie den — ungesüßten — Tee schon zum 50. Mal
umrührte. Ihr Temperament brachte das Blut in Wallung, daß sich Leukozyten und
Erythrozyten (weiße und rote Blutkörperchen) wie in einem Orkan fühlen
mußten.
Während sie über alles
nachdachte, wurde ihr Blick zum Eingang gelenkt.
Nanu! Die kenne ich doch.
Aber das war kein Grund, sich
zu freuen.
Helmut und Klara Schmied — die
Nachbarn des unleidlichen Oberst Alderich Finke — traten soeben ein: Schmied,
Helmut — speckig und rosig, wie sie ihn kannte; Schmied, Klara — auch heute mit
orangerotem Haar und üppiger Kriegsbemalung.
Sie trugen sportlichen Schick,
passend zum Wetter und zu einem Wochenendausflug.
Viele Tische waren noch frei.
Aber Schmied wandte sich mit fragender Miene an die Bedienung.
Die wies mit dem Daumen über
die Schulter — etwa in Lockes Richtung, gab Auskunft und eilte dann, mit einem
großen Tablett leerer Gläser, zur Schanktheke.
Die Blicke der Schmieds suchten
und entdeckten Locke. Wie angeknipst strahlte Lächeln auf. Er sagte was zu ihr.
Dann kamen beide heran.
Schmied streckte zur Begrüßung
die Hand aus.
„Das Fräulein Nina! Grüß dich,
Nina! Ganz allein?“
Er hielt ihre Hand zu lange
fest. Sie zog sie zurück, nicht mit einem Ruck, aber merklich.
„Ich wollte eine Freundin
besuchen“, schwindelte sie. „Unangemeldet. Und jetzt ist niemand zu Hause.“
„So geht’s einem. Ist mir auch
schon passiert“, lärmte er. „Dürfen wir uns zu dir setzen? Das heißt, ich muß
rasch mal wohin.“
Er grinste, als erwarte er
Beifall dafür, daß er mal mußte, schwenkte rechts und eilte zum Klo.
Klara setzte sich und ordnete
ihre Füße. Sie trug Sandalen mit etwa zwölf Zentimeter hohen Absätzen.
„Schönes Wetter heute“, sagte
sie.
Locke nickte. „Fast so schön
wie gestern. Vielleicht sogar noch schöner. Und morgen soll’s auch schön
werden.“
„Aber irgendwann gibt’s dann
wieder Regen, und dann kommt man nicht raus.“
Du bestimmt nicht! dachte
Locke. Sonst würden die Modellkleider naß.
Klaras Gesprächsstoff war
erschöpft. Sie lächelte nichtssagend in die Gegend. Locke trank ihren Tee.
In diesem Augenblick kam
Mäuchler zurück.
Die Flasche auf seinem Tisch in
der Nische war noch nicht leer. Aber sein Durst schien gestillt, oder der Wein
schmeckte nicht; jedenfalls strebte Mäuchler im Wiegeschritt zur Bedienung und
bezahlte.
Die schaute verwundert und
sagte auch was. Mäuchler erwiderte knapp und mit Kopfschütteln. Dann verließ er
die Waldschänke, die sich jetzt — es ging auf Mittag — mehr und mehr füllte.
„Man könnte hier gut essen,
hörten wir“, sagte Klara.
„Habe ich auch gehört“, nickte
Locke.
Klara winkte der Bedienung und
ließ sich die Speisekarte bringen.
Schmied nahte. „Hab ich einen
Hunger!“ verkündete er strahlend. Vermutlich hatte er den immer. Er rieb sich
die noch nicht ganz trockenen Hände. Am Ärmelaufschlag entdeckte er einen Fleck
flüssiger Seife. Mit einem Zipfel der Tischdecke versuchte er, das in Ordnung
zu bringen.
„Helmut!“ tadelte
Weitere Kostenlose Bücher