Hundejäger töten leise
ekliger Kerl! Wenn ich nicht da bin, reißt er meinen Blumen
die Köpfe ab. Paßt zu ihm. Was schön ist, zerstören sie, diese Sadisten. Und
Zerstörung gefällt ihnen.“
„Ihr Garten ist herrlich!“
lobte Locke.
Damit lag es auf der Hand, sich
den Blumen zuzuwenden. Aber dazu kam es nicht mehr. Sie wurden abgelenkt.
Ein weißer Opel Kadett bog von
der Straße ab und hielt vor Mäuchlers Tor. Die Fahrerin stieg aus. Sie blickte
kurz zu den dreien her, wandte sich dann dem Tor zu und drückte auf die
Klingel.
Die Frau war jung, ihre
Aufmachung wirkungsvoll: Sie hatte rotes Haar, das zu einem langen Zopf
geflochten war, und ein stark geschminktes Gesicht mit hohen Backenknochen. Sie
trug einen hellen Leinenanzug.
„Wer ist denn das?“ murmelte
Hüven. „Die habe ich noch nie hier gesehen. Will wohl ihren Hund verkaufen,
wie?“
Das Tor bestand aus Bohlen und
war hoch. Auch die Tür daneben wies Blicke ab. Jetzt wurde sie geöffnet. Ein
bulliger Kerl trat hervor. Sein Gesicht war wie aus grobgeformtem Lehm — mit
tiefliegenden Augen und niedriger Stirn.
„Das ist Kobrutschik“, sagte
Hüven.
Verächtlich wandte der — aber
das war wohl zufällig — Hüven, Locke und Tom den Rücken zu.
Das hatte zur Folge, daß die
Frau sich in ihre Richtung drehte. Sie sahen sie von vorn, vermieden es aber,
auffällig hinzustarren. Nur Tom luchste aus den Augenwinkeln. Wie in
Großaufnahme sah er den Mund der Frau.
Verstehen konnte er nicht, was
sie und Kobrutschik redeten. Aber von ihren Lippen las er wie aus einem Buch.
„Mein Name ist Verena Paulsen“,
sagte die Frau. „Ich möchte Dr. Mäuchler sprechen. Georg Tschilke schickt
mich.“
Was Kobrutschik antwortete,
entging Tom, denn der Hausmeister stand mit dem Rücken zu ihm.
Aber Verena Paulsen zeigte sich
— unfreiwillig — von ihrer nettesten Seite, indem sie lächelnd das Wichtigste
wiederholte.
„Zum Frühschoppen? Aha. Und wo
finde ich die Waldschänke?“
Kobrutschik sagte es ihr. Sie
nickte, bedankte sich und stieg in ihren Wagen.
„Wo geht’s denn hier zur
Waldschänke?“ wandte Tom sich an Hüven.
„Ach, das hat sich wohl
rumgesprochen, daß man da gut ißt? Ihr fahrt ortseinwärts, dann die zweite
Straße links — und immer geradeaus bis zum Waldrand.“
„Dann wollen wir Sie nicht
länger aufhalten.“ Locke gab ihm die Hand.
Tom wünschte ein angenehmes
Wochenende. Der Alte sagte noch, daß er sich über ihren Besuch freuen würde —
und er ihnen dann den Garten zeigen könnte. Worauf die beiden erwiderten, sie
kämen bestimmt.
Als sie ein Stück gerollert
waren, sagte Tom: „Sie heißt Verena Paulsen, ist von Georg Tschilke geschickt
und will zu Mäuchler. Der sitzt beim Frühschoppen in der Waldschänke.“
„Dein Lippenlesen ist Gold
wert, Tom. Nichts wie hin!“
Vor der Waldschänke parkten
zwei Dutzend Fahrzeuge. Aber der weitläufige Speisesaal war dem Ansturm
gewachsen und nur zu einem Drittel gefüllt.
Als Locke und Tom eintraten,
sahen sie, wie Verena Paulsen mit einer Bedienung sprach. Die wies nach hinten,
wo gemütliche Nischen abgeteilt waren. Sie imitierten (nachahmen) Lauben. Künstliches Weinlaub verkleidete die Trennwände.
Verena ging auf die zweite
Nische zu, wobei sie sich wie ein Mannequin (Vorführdame) auf dem
Laufsteg bewegte.
„Gleich schlägt sie mit den
Hüften die Kaffeekannen von den Tischen“, sagte Locke. „Mal rechts, mal links,
immer abwechselnd. Aber die Männer glotzten.“
Tom lachte. „Manche haben’s
nötig. Du, dann ist das Mäuchler.“
Er meinte den Mann, der in der
zweiten Nische saß. Allein. Die Weinflasche, die vor ihm stand, nicht
gerechnet. Nur die zweite Nische war besetzt.
„Los, Tom! Wir setzen uns in
die dritte. Und belauschen.“
Sie schlugen einen Bogen,
näherten sich gleichsam von hinten, gingen an der sechsten, fünften und vierten
Nische vorbei, um dann lautlos in die dritte zu schlüpfen. Niemand hatte sie
gesehen: weder Verena Paulsen noch Mäuchler.
Sie setzten sich an die
Trennwand und lehnten die Köpfe zurück. Wie sie jetzt feststellten, handelte es
sich nicht um Holzwände, sondern um Gitter — hölzerne —, wie sie an Hausmauern
angebracht werden, damit sich wilder Wein hochranken kann. Blätter und Reben
aus Plastik schlossen dicht wie ein Vorhang. Blicke konnten nicht durch,
Geräusche fast alle.
„...hat mir Georg schon von
Ihnen erzählt, Verena“, sagte eine kantige Männerstimme. Sie dämpfte sich so
wenig wie die lärmenden
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