Hundejäger töten leise
— wie an jedem schönen Sommerwochenende — rollte bereits.
Die Städter strebten ins Grüne. Mancher Wagen trug Kajak oder Surfbrett. Kinder
winkten durch die Heckscheibe.
Ihr Weg führte durch
Pesseldorf, aber nicht am Tschilke-Hof vorbei. Sechs Kilometer entfernt lag
Stepperheide, ein größeres, von Wald umgebenes Dorf. Die Kapelle aus dem 12.
Jahrhundert war eine Sehenswürdigkeit, das Dorfgasthaus bekannt für seine
großen Forellen. An der Peripherie (Außenrand) waren Wochenendhäuser
entstanden — mit und ohne Swimmingpool, aber der dörfliche Charakter von
Stepperheide blieb erhalten.
Am Dorfplatz fragte Locke ein
Mädchen ihres Alters nach dem Weg.
Die Tierversuchsanstalt lag am
Ende des Dorfes. Das Gelände war umzäunt. Die Straße führte am Tor vorbei. Ein
Spazierweg verlief neben dem mannshohen Drahtzaun bis zum Ende und führte dann
weiter zum Waldrand.
Langsam fuhren Locke und Tom
die Straße entlang, am vorletzten Grundstück vorbei, dann zur
Tierversuchsanstalt und daran entlang.
Mein Gott! Hier geschieht das
alles! dachte Locke. Der Gedanke an die gequälten Tiere genügte. Sie fühlte
sich, als wäre sie selbst in der Folterkammer.
„Ist ja ein riesiges
Grundstück“, sagte Tom. „Aber man sieht nichts.“
Jedenfalls nichts, was auf die
Quälerei hinweist, dachte Locke.
Dr. Anton Mäuchler hatte sich
abgeschirmt. Jenseits des Zaunes wuchs eine dichte Hecke. Wo sie nicht dicht
oder hoch genug war, hatte man Schilfmatten als Sichtblenden aufgehängt —
ähnlich wie beim Tschilke-Hof. Im Hintergrund, weit vom Tor entfernt, standen
mehrere Gebäude.
„Zunächst müssen wir erkunden“,
meinte Locke, „wieviele Typen dort ihr Unwesen treiben. Aber wie?“
„Hier geht’s nach Kleinlehe“,
Tom grinste. „Kostet nur Benzin. Machen wir kehrt.“
Sie waren der Landstraße ein
Stück gefolgt, wendeten und fuhren zurück. Die Versuchsanstalt lag jetzt auf
ihrer Seite. Sie machten lange Hälse, sahen aber nicht mehr als eben. Locke
rollerte bis zum nächsten Grundstück, bis zu Mäuchlers Nachbarn, und hielt. Nachbarn
— das wußte sie — sind im allgemeinen gesprächig.
In einem Garten mit Tausenden
blühender Blumen stand ein windschiefes Häuschen. Ein alter Mann, knorrig wie
eine Baumwurzel, strich seinen Gartenzaun an. Mit Teerfarbe. Er schmauchte
Pfeife und legte jetzt den Pinsel aus der Hand.
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„Ja, wenn das nicht die kleine
Rehm ist... Oder täusche ich mich?“
Locke staunte. Sie kannte den
Mann nicht.
„Ich bin Nina Rehm.“
Der Alte lachte. „Da wunderst
du dich, wie?“ Begegnet sind wir uns noch nicht. Aber dein Vater hat mir Fotos
gezeigt. Bist ja in Wirklichkeit noch hübscher. Ich bin Oswald Hüven.“
Jetzt war alles klar. Sie gab
ihm die Hand und stellte Tom vor.
„Du mußt wissen, Tom: Herr
Hüven ist freier Mitarbeiter beim Tagblatt und für meinen Papi unersetzlich.
Herr Hüven berichtet über alles, was hier im Landkreis wichtig ist. Und
schreibt druckreif, wie Papi sagt“, setzte sie hinzu.
„Naja, schmunzelte Hüven, „ich
gebe mir Mühe. Und ihr macht einen Ausflug?“
„Mehr oder weniger.“ Locke nahm
den Hut ab und schüttelte ihr Haar. „Wir interessieren uns für alles, was am
Wegesrand liegt. Ist das die Tierversuchsanstalt von diesem Dr. — eh — wie
heißt er noch gleich?“
„Mäuchler.“ Hüvens Gesicht
umwölkte sich. „Beinahe hätte ich gesagt: Eine Schande, daß dieser Mistkerl
mein Nachbar ist.“
„Mistkerl?“ Locke gratulierte
sich im Stillen. Das Gespräch lief auf dem richtigen Gleis.
„Na, und ob! Was für ein Mensch
ist das wohl, der mit Tieren sowas anstellt? Im Interesse der Wissenschaft? Daß
ich nicht lache! Nur ein Sadist (jemand, der Freude an Grausamkeiten hat) kriegt das fertig. Wäre da drüben nicht alles schalldicht, hielte ich’s hier
nicht aus. Ich könnte die Schmerzensschreie nicht ertragen. Ich mag Tiere. Daß
sie gefoltert werden, treibt mir die Galle ins Blut.“
„Schrecklich!“ nickte Locke.
„Tom und ich denken da wie Sie. Macht dieser Mäuchler das allein?“
„Nein. Er hat zwei sogenannte
wissenschaftliche Assistenten.“
„Wohnen die auf dem Gelände?“
„Das wäre wohl nichts für die.
Die kommen morgens aus der Stadt und fahren abends heim.“
„Mäuchler wohnt also allein?“
„Im Hause, ja. Er ist
Junggeselle. Aber im Garagenanbau wohnt sein Hausmeister — oder wie man den
bezeichnen soll. Ein gewisser Kobrutschik. Den habe ich gefressen wie
Schmierseife. Ein
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