Hundekuchen zum Frühstück: Roman (German Edition)
Leben in Zukunft verlaufen? Konnte ich weiterhin hier leben? Wovon sollte Zoë die Miete bezahlen? Mir schauderte bei dem Gedanken an die Rechnungen, die sich vermutlich in der Post stapelten. Ich konnte Zoë mit nichts davon helfen. Ich konnte weder schreiben noch tippen, und vor allem konnte ich nicht reden. Mein Kopf wusste zwar, wie man mit dem Scheckbuch umging und nach Fehlern in der Abrechnung der Kreditkarte suchte– aber Zoë konnte ich nichts davon erklären. Ich fühlte mich wie eine Mumie oder ein Mensch im Koma. Die zehn Jahre konnten mir gestohlen bleiben– dieser Stress raffte mich sicher schon nach einem dahin.
Ich stand an der Glastür und sah in den mondbeschienenen Garten hinaus. Ich wollte so gern weinen, aber rein körperlich schien das nicht möglich zu sein. Heulen und Jaulen wären gute Alternativen gewesen, aber das Risiko war zu groß, dass die Nachbarn aufwachten und Zoë Schwierigkeiten mit dem Vermieter bekam. Falls er anrief, sagte sie womöglich etwas vollkommen Verrücktes und geriet ernsthaft in Schwierigkeiten. Statt zu heulen, legte ich mich also bäuchlings auf den Boden und bettete meinen Kopf auf meine Pfoten. Mein Herz war so schwer, dass ich fürchtete, es würde mir die Rippen brechen.
In diesem Moment im Mondschein wurde mir alles klar. Ich hatte meine Gelegenheiten mit Max nicht genutzt. Damals als Mensch hätte ich eine Unterhaltung beginnen und mich mit ihm anfreunden können… Doch ich war viel zu schüchtern gewesen, um den ersten Schritt zu tun. Aber eine Beziehung zu Max zu knüpfen, war nicht das Einzige, wozu ich damals zu feige gewesen war. Mit klopfendem Herzen stand ich auf und ging zur Haustür.
Der lavendelfarbene Umschlag lag noch immer unberührt auf dem Boden. Ich schnupperte an dem Papier. Pfefferminzbonbons und Instant Kaffee mit milchfreier Sahne. Mein Atem ging schneller, als ich den Umschlag mit den Zähnen packte und zu meinem Platz bei der Glastür trug.
Lange starrte ich den Umschlag an. Nur zu oft hatte ich mir ausgemalt, was wohl darin stand. Welche Entschuldigungen sie mir womöglich auftischte oder welche Ansprüche sie auf meine Zuneigung erhob. Doch in Wirklichkeit hatte ich keine Vorstellung, was sie geschrieben haben könnte. Ich kannte sie ja nicht einmal.
Mit einem Mal hatte ich es sehr eilig. Ich richtete mich auf und hielt den Umschlag mit einer Pfote fest. Dann bohrte ich einen Zahn unter die Lasche und zerrte so lange, bis der Rücken des Umschlags abriss und eine gefaltete Karte in derselben Farbe herausfiel. Ihre Vorderseite zierte ein Veilchenbukett. Mein Herzschlag dröhnte mir in den Ohren, während ich die Karte mehrmals in die Luft warf, bis sie sich endlich öffnete. Dann drehte ich sie vorsichtig um und saugte die Worte auf wie eine Verhungernde.
Liebe Jessica,
ich weiß, dass ich kein Recht habe, irgendwelche Hoffnungen zu hegen, aber ich bete jeden Tag, dass du mir vielleicht vergeben kannst – irgendwann. Ich war nie in der Lage, dir eine gute Mutter zu sein, sosehr ich mir das auch gewünscht habe. Aber du sollst wissen, wie unglaublich stolz ich auf dich bin.
Debra
Ich musste zwinkern, weil die Buchstaben vor meinen Augen verschwammen. Bei jedem Schlag, den mein Herz tat, wiederholte es ein Stück dieser Botschaft. Debra. Stolz auf mich. Nie in der Lage. Mir eine gute Mutter zu sein.
Konnte das wahr sein?
Nein. Auf gar keinen Fall. Ich schüttelte den Kopf und schob die Karte von mir weg. Diese Frau hatte mich alleingelassen. Als ich gerade einmal zwei Jahre alt war, hat sie mich der staatlichen Fürsorge übergeben. Eines jedoch schien sie kapiert zu haben. Sie hatte kein Recht, auf Vergebung zu hoffen. Die Narben, die mir psychisch und körperlich zugefügt wurden, musste ich mein Leben lang tragen. Da war es nur fair, dass sie genauso litt wie ich.
Ich legte mich nieder und starrte in den Mondschein hinaus. Von nun an wollte ich keine bösen Gedanken mehr zulassen. Aber trotzdem mischte sich der letzte Satz immer wieder in meine stummen Selbstgespräche. Debra war stolz auf mich. Aber war sie das wirklich? Wie konnte sie das sein?
Debra kannte mich doch gar nicht. Sie hatte keinen meiner Erfolge miterlebt. Oder meiner Fehlschläge. Sie war in meinem Leben nichts weiter als eine fiktionale Größe. Ich hatte mich manchmal gefragt, wie sie wohl war, aber sie hatte sich mir nicht zu erkennen gegeben. Nicht ein einziges Mal. Dass sie plötzlich Kontakt mit mir suchte, machte die Vernachlässigung von
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