Hundeleben
innere Logik. Selbst die Kurzfassung, Typ stellt Koffer ab und verschwindet anschließend spurlos, kam nicht viel besser weg.
Andererseits, Frau Keller hatte mir 50.000 Euro gezeigt. Einfach so. Leider hatte sie alles wieder eingesteckt. Ziemlich rasch sogar. Schade.
Während ich über die Keller, das Geld und nochmals über das Geld nachdachte, schaute ich zum Kino ›Melodie‹ hinüber. Seit drei Wochen war es geschlossen. Ein seltsamer Verein namens ›Melodie-Art-Company‹, kurz MAC genannt, hatte das älteste Kino Potsdams zwei Jahre lang geführt und es in dieser Zeit um weitere 70 Jahre altern lassen. Dann hatte sich die Truppe aus dem Staub gemacht. Zurück blieben Mietschulden, kaputte Fenster, aufgeschlitzte Sessel, ein Heer an leeren Flaschen, ramponierte Fußböden und erleichterte Anwohner.
Seit meiner Trennung von Cleo war ich einer dieser Anwohner. Nach der Schließung des Kinos schlief ich wieder ohne Albträume, legte an Appetit, an Gewicht und vor allem an vorsichtigem Optimismus zu. Es sah aus, als sei der Lebensraum rund um das Kino auf einem guten Weg, wieder bewohnbar zu werden.
Dabei hatte ich das Kino immer gemocht. Vor der MAC-Epoche war ich einmal die Woche ins ›Melodie‹ gegangen. Häufig mit Cleo , noch häufiger allein. Rein in die kleine Passage, die zum Kinohof führte, weiter ins Foyer und endlich in den Kinosaal. Von außen machte das ›Melodie‹ nicht viel her. Innen dagegen sah es genauso aus, wie man sich ein Kino für Filme wie ›Casablanca‹, ›Der tiefe Schlaf‹ oder ›Fallen Angels ‹ vorstellt. Angejahrt , gemütlich, etwas runtergekommen, einer alternden Diva nicht unähnlich. Schade, dass diese Diva in die falschen Hände gefallen war. Jetzt lag sie in den Armen eines neuen Betreibers. Bislang hatte ich den Neuen noch nicht zu Gesicht bekommen. Vielleicht würde sich die Diva mit dessen Hilfe ja wieder erholen. Ich wünschte es ihr.
Wie gesagt, mehrere unangenehme Monate lagen hinter mir. Die Zukunft konnte nur noch besser werden. Für mich und für das Kino. Vielleicht hatte sie ja bereits begonnen, die bessere Zukunft. Ich jedenfalls hatte einen Fall, und was für einen! Allein das Finanzvolumen ließ mein Herz höher schlagen.
Ich lenkte meinen Blick zurück auf den Schreibtisch, da lag sie, die bessere Zukunft. Sie sah neu und violett aus. Wenigstens einen ihrer vielen Scheine hatte Sylvia zurückgelassen. Nicht ganz uneigennützig. Ich hatte ihr dafür meine Arbeitskraft verkauft. Ich stemmte mich nach oben, streckte mich und wollte gerade ins Bad hinüber, um ein paar Dinge zu erledigen, die niemand sonst für mich erledigen konnte, da klingelte das Telefon. Ich setzte mich auf den Stuhl und griff zum Hörer.
»Beeilen Sie sich, ich bin auf dem Sprung!«
»Was? Es ist so, ich habe ein Problem.«
»Ach. Wirklich?« Ich gab mich überrascht.
»Ich werde verfolgt und …« Es war eine männliche Stimme, die durch den Hörer zu mir drang. Der Mann am anderen Ende der Leitung legte eine Pause ein, als hätte er schon zuviel gesagt. Wahrscheinlich brauchte er eine Ermunterung. Die sollte er haben.
»Nun erzählen Sie schon, mein Wartezimmer ist voll.«
»Sagten Sie nicht eben …«
Der Typ schien von der schlauen Sorte zu sein.
»Haben Sie ein Anliegen oder wollen Sie sich nur wichtig machen?«
»Ist da die Polizei?«
»Nein. Falsch verbunden.«
»Ich dachte schon. Sie klingen wie ein übellauniger Polizist.«
Volltreffer. Ich klang wie ein Polizist! Das war kein Kompliment. Machte ich vielleicht sogar die gleichen Späße wie meine uniformierten Mitbürger? Wenn ja, dann wurde es Zeit, meine Einstellung Klienten gegenüber zu überdenken. Vielleicht würde ja ein Motivationstraining oder ein Lauf über glühende Kohlen helfen. Oder brauchte ich einen Coach?
»Um was geht es?«
»Ich werde verfolgt, von einer Frau.«
»Wo ist das Problem? Ah. Verstehe, diese Frau ist Ihre Mutter.«
»Sie sind doch ein Bulle!«
»He, ganz ruhig. Tief durchatmen und bis zehn zählen. Om . Ich bin Privatdetektiv. Und zwar der Beste. Ich kann Ihnen helfen. Aber nur, wenn Sie mir endlich sagen, was Sie für ein Problem haben.«
Ich hörte, wie er zweimal tief durchatmete. Ob er auch zählte, hörte ich nicht. Dann fasste er offensichtlich einen Entschluss.
Die Geschichte, die er zum Besten gab, war nicht lang. Es ging nicht um Geld, nicht um Ehekrach, und es kamen auch keine Leichen darin vor, bis jetzt noch nicht. Er hatte auf einer Party ein paar Mal mit
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