Hundert Jahre Einsamkeit
trug mit einer beträchtlichen Stiftung zur Beschleunigung der Bauarbeiten bei. Pater Nicanor meinte, mit einer zweiten, ähnlichen Hilfeleistung würde die Kirche binnen drei Jahren stehen. Fortan richtete Rebeca nie mehr das Wort an Amaranta, überzeugt, ihre Worte seien weit weniger harmlos gewesen, als sie vorzutäuschen vermocht hatte. »Das war für mich noch die harmloseste Lösung«, erwiderte Amaranta in dem heftigen Streitgespräch, das sie an jenem Abend führten. »Auf d iese Weise brauche ich dich in den nächsten drei Jahren nicht umzubringen.« Rebeca nahm die Herausforderung an.
Als Pietro Crespi von dem neuen Aufschub erfuhr, war er furchtbar enttäuscht, doch Rebeca gab ihm einen endgültigen Beweis ihrer Treue. »Wir fliehen, wann du willst«, sagte sie. Pietro Crespi indessen war kein Mensch für Abenteuer. Ihm fehlte das Impulsive seiner Braut, und er betrachtete die Achtung vor dem verpfändeten Wort als ein Kapital, das man nicht vergeuden durfte. Nun nahm Rebeca ihre Zuflucht zu kühneren Methoden. Plötzlich löschte ein geheimnisvoller Wind die Lichter des Besuchszimmers, und Ursula überraschte die Verlobten, wie sie sich im Dunkeln küßten. Pietro Crespi stammelte wirre Erklärungen über die Mangelhaftigkeit moderner Teerlampen und half sogar bei der Einrichtung eines zuverlässigeren Beleuchtungssystems im Wohnzimmer. Doch wiederum versagte der Brennstoff, oder aber die Dochte verrußten, so daß Ursula Rebeca ertappte, wie sie auf dem Schoß ihres Verlobten saß. Schließlich ließ sie sich keine Entschuldigung mehr gefallen. Sie übertrug der Indiofrau die Verantwortung für die Bäckerei und setzte sich in einen Schaukelstuhl, um das Stelldichein des Brautpaares zu überwachen, entschlossen, sich nicht von Machenschaften übertölpeln zu lassen, die schon in ihrer Jugend veraltet waren. »Arme Mama«, sagte Rebeca mit spöttischer Empörung, als sie Ursula bei den langweiligen Verlobtengesprächen gähnen sah. »Wenn sie stirbt, wird sie noch in diesem Schaukelstuhl büßen.« Nach drei Monaten des überwachten Idylls und verärgert über die Langsamkeit des Baus, den er jeden Tag prüfte, beschloß Pietro Crespi Pater Nicanor den für die Beendigung der Kirche fehlenden Betrag zu zahlen. Amaranta verlor nicht die Geduld. Während sie mit ihren Freundinnen, die täglich in die Veranda zum Sticken kamen, die Nachmittage verplauderte, ersann sie neue Kriegslisten. Doch e in Rechenfehler machte diejenige zunichte, die sie für die wirksamste gehalten hatte: die Naphthalinkugeln wegzunehmen, die Rebeca auf ihr in der Schlafzimmerkommode verwahrtes Brautkleid gelegt hatte. Sie tat es, als knapp zwei Monate bis zur Fertigstellung der Kirche fehlten. Doch Rebeca wartete mit derartiger Ungeduld auf die Hochzeit, daß sie ihr Kleid früher fertig sehen wollte, als Amaranta geahnt hatte. Als sie nun die Kommode öffnete, erst das Umschlagpapier entfernte und dann die schützende Leinwand, fand sie den Atlas des Kleides, den Spitzenschleier und sogar den Orangenblütenkranz von Motten zu Staub zerfressen. Obgleich sie sicher war, zwei Handvoll Mottenkugeln in der Hülle versteckt zu haben, wirkte das Verhängnis so zufällig, daß sie nicht wagte, Amaranta zu beschuldigen. Zwar fehlte weniger als ein Monat bis zur Hochzeit, doch Amparo Moscote verpflichtete sich, ein neues Kleid binnen einer Woche zu nähen. Amaranta fühlte ihre Kräfte schwinden, als Amparo an jenem regnerischen Mittag spitzenschaumumhüllt ins Haus trat, um mit Rebeca zum letzten Mal anzuprobieren. Ihre Stimme versagte, während ein Faden eisigen Schweißes an ihrer Wirbelsäule herunterrann. Lange Monate hatte sie angstzitternd jene Stunde erwartet, denn wenn ihr auch kein endgültiges Hindernis für Rebecas Hochzeit einfiel, so war sie gewiß, daß sie im letzten Augenblick, wenn alle Hilfsmittel ihrer Phantasie versagt hätten, genügend Mut aufbringen würde, sie zu vergiften. An jenem Nachmittag, während Rebeca in der Atlasrüstung, die Amparo Moscote mit tausend Nadeln und unendlicher Geduld an ihrem Körper feststeckte, vor Hitze fast erstickte, vergriff Amaranta sich mehrmals beim Sticken und stach sich in den Finger, kam jedoch eiskalt zu dem Schluß, daß erstens der Stichtag der letzte Freitag vor der Hochzeit und daß zweitens die Lösung ein Schuß Laudanum im Kaffee sein müsse. Ein größeres, ebenso unüberwindliches wie unvorhergesehenes Hindernis zwang zu einem neuen, unbegrenzten Aufschub. Eine Woche vor
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