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Hundert Jahre Einsamkeit

Hundert Jahre Einsamkeit

Titel: Hundert Jahre Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Garcia Marquez
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Seelenruhe ein und versank im Sumpf der Verworfenheit und des Elends, mit dem Erfolg, daß er Jahre später von einem Nachtzug gevierteilt wurde, als er einmal auf dem Schienenstrang einschlief. Von dem Augenblick an, da er in der Kirche in einem grünen Samtanzug mit gestickter Weste gesehen wurde, zweifelte niemand daran, daß er, von der Zauberkraft Remedios der Schönen angelockt, einen weiten Weg zurückgelegt hatte, ja vielleicht aus einer ausländischen Stadt herbeigereist war. Er war so schön, so schmuck und gelassen, und sein Auftreten war so selbstsicher, daß Pietro Crespi neben ihm wie ein Milchbart gewirkt hätte, und viele Frauen flüsterten geringschätzig lächelnd, er verdiene in Wirklichkeit die Mantille. Er verkehrte in Macondo mit niemandem. Er erschien am Sonntag bei Tagesanbruch wie ein Märchenprinz auf einem Pferd mit silbernem Steigbügel und einer samtenen Schabracke und verließ das Dorf unmittelbar nach der Messe.
    Die Macht seiner Gegenwart war so groß, daß man von seinem ersten Kirchgang an fest daran glaubte, zwischen ihm und Remedios der Schönen sei ein stummes, spannendes Duell im Gange, eine unwiderrufliche Herausforderung, deren Höhepunkt nicht nur die Liebe, sondern auch der Tod sein könne. Am sechsten Sonntag erschien der Kavalier mit einer Teerose in der Hand. Stehend hörte er die Messe, wie er es immer getan hatte, und trat zum Schluß Remedios der Schönen in den Weg, um ihr die einzelne Rose zu schenken. Mit einer natürlichen Geste, als sei sie auf diese Huldigung vorbereitet, nahm sie sie entgegen, und nun enthüllte sie das Gesicht einen Lidschlag lang und dankte ihm mit einem Lächeln. Mehr tat sie nicht. Doch nicht nur für den Kavalier, auch für alle Männer, die das glücklose Vorrecht hatten dabeizusein, war dies ein ewiger Augenblick.
    Von nun an stellte der Ritter seine Musikkapelle vor dem Fenster der schönen Remedios auf, mitunter sogar bis zum Morgengrauen. Aureliano Segundo war der einzige, der herzliches Mitleid mit ihm empfand und versuchte, ihm seine Hartnäckigkeit auszureden. »Verlieren Sie nicht Ihre Zeit«, sagte er eines Abends zu ihm. »Die Frauen dieses Hauses sind schlimmer als Mauleselinnen.« Er bot ihm seine Freundschaft an, lud ihn ein, ein Champagnerbad zu nehmen, versuchte ihm beizubringen, daß die Weibchen seiner Familie Eingeweide aus Kieselsteinen hätten, doch es wollte ihm nicht gelingen, den Starrsinn des Freundes zu brechen. Erbittert über die endlosen Konzertnächte, drohte Oberst Aureliano Buendía ihm, seinen Herzenskummer mit Pistolenschüssen zu heilen. Doch nichts brachte den Besucher von seinem Ziel ab, ausgenommen sein eigener beklagenswerter Verfall. Denn aus einem eleganten, makellosen Bewerber wurde ein abgerissener Strolch. Man flüsterte, er habe Macht und Vermögen in seiner fernen Heimat aufgegeben, obgleich seine Herkunft nie bekannt wurde. Er sank zum Rauf- und Saufbruder herab und begann in Catarinos Butike im eigenen Kot zu erwachen. Das traurigste an seinem Drama war, daß Remedios die Schöne ihm nicht einmal einen Blick gönnte, als er wie ein Prinz gekleidet in der Kirche aufgetaucht war. Sie hatte die gelbe Rose ohne jede böse Absicht und eher belustigt über seine ausgefallene Gebärde angenommen, und die Mantille hatte sie gehoben, weniger um ihr Gesicht zu zeigen, als um das seine besser sehen zu können.
    In Wirklichkeit war Remedios die Schöne kein Geschöpf von dieser Welt. Ihre Geschlechtsreife war schon fortgeschritten, als Santa Sofía von der Frömmigkeit sie noch immer baden und ankleiden mußte und als sie dann allein fertig wurde, mußte sie dennoch überwacht werden, damit sie nicht mit einem in ihren eigenen Kot getunkten Stöckchen kleine Tiere an die Wände malte. Sie erreichte das zwanzigste Lebensjahr, ohne lesen und schreiben gelernt zu haben, ohne sich bei Tisch selbst bedienen zu können, und sie lief splitternackt durchs Haus, weil ihre Natur sich gegen jede Art der Förmlichkeit sperrte. Als der junge Wachkommandant ihr seine Liebe gestand, wies sie ihn einfach zurück, weil so viel Leichtfertigkeit sie erschreckte. »Hör nur, wie einfältig er ist«, sagte sie zu Amaranta. »Er hat gesagt, er stirbt meinetwegen, als wäre ich Kotbrechen mit Darmverschlingung.« Als man ihn dann wirklich tot vor ihrem Fenster auffand, bestätigte Remedios die Schöne ihren ersten Eindruck.
    »Seht ihr«, warf sie hin. »Er war vollkommen einfältig.«
    Man hätte meinen mögen, sie sähe die

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