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Hundert Jahre Einsamkeit

Hundert Jahre Einsamkeit

Titel: Hundert Jahre Einsamkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Garcia Marquez
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ausgeschlagen habe, um die Qual loszuwerden, bis zu meinem Tod auf sie warten zu müssen.« Anfangs besuchte Oberst Gerineldo Márquez ihn gegen Abend, dann setzten sich beide vor die Haustür und sprachen von der Vergangenheit. Doch Amaranta konnte die Erinnerungen nicht ertragen, die der von seiner Kahlheit vorzeitig vergreiste, müde Mann in ihr wachrief, und daher quälte sie ihn mit so ungerechten Kränkungen, daß er nur noch zu besonderen Gelegenheiten kam und schließlich, von der Lähmung befallen, völlig ausblieb. Wortkarg, still, gleichgültig gegen den neuen, das Haus durchflutenden Lebenshauch, begriff Oberst Aureliano Buendía nur, daß das Geheimnis eines guten Alters nichts anderes ist als ein ehrenhafter Pakt mit der Einsamkeit. Nach leichtem Schlaf stand er um fünf Uhr auf, trank in der Küche seine ewige Tasse schwarzen Kaffee ohne Zucker, schloß sich den ganzen Tag in seiner Werkstatt ein und zog gegen vier Uhr nachmittags, einen Hocker hinter sich herschleifend, durch die Veranda, ohne einen Blick auf die Glut der Rosenstöcke zu werfen, auf den Glanz der Stunde, auf Amarantas Furchtlosigkeit, deren Melancholie im Abenddämmer ein deutlich vernehmbares Kochtopfgeklapper verursachte, und hockte sich vor die Haustür, solange die Mücken es erlaubten. Einmal wagte jemand, seine Einsamkeit zu stören.
    »Wie geht's, Oberst?« sagte der Betreffende im Vorbeigehen.
    »Es geht«, erwiderte er. »Ich warte auf meinen Leichenzug.«
    Somit war die Unruhe, welche die öffentliche Erwähnung seines Zunamens anläßlich der Krönung von Remedios der Schönen ausgelöst hatte, völlig unbegründet. Freilich waren viele entgegengesetzter Ansicht. Unschuldig an der sie bedrohenden Tragödie sprengte die Dorfbevölkerung den Hauptplatz mit lärmendem Jubel. Der Karneval hatte den Höhepunkt der Tollheit erreicht, Aureliano Segundo hatte schließlich seinen Wunsch, sich als Tiger zu vermummen, befriedigt und schlenderte glückselig, wiewohl heiser vom vielen Fauchen, durch die ausgelassene Menge, als eine buntgewürfelte Komparserie auf dem Moorweg erschien und die betörendste Frau, die Phantasie zu erschaffen vermocht hatte, in einer vergoldeten Sänfte herantrug. Einen Augenblick lang setzten die friedlichen Bewohner Macondos ihre Masken ab, um das bezaubernde Geschöpf mit Smaragdkrone und Hermelinmantel, das nicht nur eine Herrscherin in Pailletten und Kreppapier zu sein, sondern rechtmäßige Machtbefugnis auszustrahlen schien, besser sehen zu können. Es fehlten auch nicht helle Köpfe, die sofort eine Herausforderung vermuteten. Doch Aureliano Segundo überspielte sofort die allgemeine Verblüffung und erklärte die Neugekommenen zu Ehrengästen und placierte salomonisch Remedios die Schöne und die eingedrungene Königin auf dasselbe Postament. Bis Mitternacht nahmen die als Beduinen verkleideten Fremden an dem Festestaumel teil und bereicherten ihn sogar durch üppiges Feuerwerk und akrobatische Vorstellungen, die an die Künste der Zigeuner erinnerten. Plötzlich, auf dem Höhepunkt des Trubels, wurde das empfindsame Gleichgewicht gestört.
    »Es lebe die liberale Partei!« gellte eine Stimme. »Es lebe Oberst Aureliano Buendía!«
    Gewehrsalven erstickten die Pracht des Feuerwerks, Schreckensschreie übertönten die Musik, und der Jubel wurde von der Panik weggefegt. Noch Jahre später hieß es, die königliche Wache der eingedrungenen Herrscherin sei eine Abteilung des Regulärheeres gewesen, die unter ihren reichen Maurengewändern Dienstwaffen versteckt gehalten hätte. Die Regierung wies die Beschuldigung in einer Sonderbekanntmachung zurück und versprach eine erschöpfende Untersuchung der blutigen Episode. Doch die Wahrheit wurde nie aufgeklärt, so daß sich folgende Lesart durchsetzte: die königliche Wache, ohne im geringsten herausgefordert worden zu sein, habe Kampfstellung bezogen und auf einen Befehl ihres Kommandanten erbarmungslos in die Menge gefeuert. Als die Ruhe wiederhergestellt und im Dorf kein einziger falscher Beduine mehr zu sehen war, lagen auf dem Platz tot oder verwundet: neun Clowns, vier Kolumbinen, siebzehn Kartenkönige, ein Teufel, drei Musikanten, zwei Pairs von Frankreich und drei japanische Kaiserinnen. In der panischen Verwirrung gelang es José Arcadio Segundo, Remedios die Schöne in Sicherheit zu bringen, und Aureliano Segundo trug die fremde Herrscherin in zerfetztem Kostüm und blutbespritztem Hermelinmantel auf den Armen ins Haus. Sie hieß Fernanda del

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