Hundert Jahre Einsamkeit
Korkenknallen der Champagnerflaschen herbeigerufen.
»Auf die Gesundheit des Papstes«, lautete Aureliano Segundos Trinkspruch.
Die Gäste stießen im Chor an. Dann spielte der Hausherr Akkordeon, Knallfrösche platzten, und im Dorf wurden die Freudentrommeln gerührt. Gegen Morgen opferten die champagnergebadeten Geladenen sechs Kühe und überließen sie der Menge auf der Straße. Niemand nahm Anstoß. Seit Aureliano Segundo den Hausherrn spielte, waren Festlichkeiten gang und gäbe, wenngleich es bislang keinen so würdigen Anlaß wie die Geburt eines Papstes gegeben hatte. In wenigen Jahren hatte er dank der übernatürlichen Vermehrung seines Viehs durch Glückstreffer mühelos eines der bedeutendsten Vermögen des Moorgebiets angehäuft. Seine Stuten warfen Drillinge, die Hühner legten zweimal am Tag, und die Schweine wurden in solchem Tempo fett, daß man sich eine so ausschweifende Fruchtbarkeit nur durch Zauberspuk erklären konnte. »Spare jetzt«, sagte Ursula zu ihrem unbesonnenen Urenkel. »Dieses Glück wird dir nicht das ganze Leben winken.« Doch Aureliano Segundo achtete nicht auf sie. Je mehr Flaschen Champagner er entkorkte, um seine Freunde zu durchnässen, desto wütender warfen seine Tiere, und desto tiefer überzeugte er sich davon, daß sein guter Stern nicht auf sein Verhalten, sondern auf Petra Cotes' Einfluß zurückzuführen war, seine Konkubine, deren Liebe die Tugend besaß, die Natur zur Verzweiflung zu bringen. So überzeugt war er, daß sie der Ursprung seines Vermögens war, daß er Petra Cotes in der Nähe seiner Zuchten hielt; und selbst als er heiratete und Kinder bekam, trennte er sich mit Fernandas Zustimmung nicht von ihr. Standfest, monumental wie seine Großväter, doch lebensfroh und unwiderstehlich sympathisch, wie sie nie gewesen waren, fand Aureliano Segundo kaum Zeit, sein Vieh zu bewachen. Es genügte ihm, Petra Cotes zu seinen Ställen zu führen und mit ihr durch seine Ländereien zu reiten, damit jedes mit seinem Eisen geprägte Tier der unheilbaren Vermehrungsplage anheimfiel. Wie alle guten ihm im Lauf seines langen Lebens widerfahrenen Dinge verdankte er den Ursprung seines unheimlichen Vermögens einem Zufall. Bis zum Ende des Krieges ernährte Petra Cotes sich mit dem Erlös ihrer Lotterien, und Aureliano Segundo tat hin und wieder einen Griff in Ursulas Sparbüchse. Sie bildeten ein leichtfertiges Paar, das keine andere Sorge hatte, als sich jede geschlagene Nacht, auch während der Schonzeit, bis zum Morgengrauen im Bett zu wälzen. »Diese Frau ist dein Verderben«, schrie Ursula ihrem Urenkel zu, als sie ihn wie einen Schlafwandler ins Haus schwanken sah. »Die hat dir so den Kopf verdreht, daß du dich eines Tages vor Koliken krümmen wirst — mit einer Kröte im Bauch.« José Arcadio Segundo, der lange brauchte, bis er entdeckte, daß er ausgestochen war, begriff die Leidenschaft seines Bruders nicht. Er erinnerte sich an Petra Cotes als erzgewöhnliche Frau, im Bett ziemlich faul und bar jeder Begabung für die Liebe. Taub für Ursulas Klagen und seines Bruders Spott, dachte Aureliano Segundo nur an einen Beruf, der ihm erlaubte, ein Haus für Petra Cotes zu halten und mit ihr zu sterben, auf ihr und unter ihr, in einer einzigen langen Nacht fieberhaften Taumels. Als Oberst Aureliano Buendía, endlich verführt vom friedlichen Zauber des Alters, die Werkstatt wieder eröffnete, dachte Aureliano Segundo, es müsse ein gutes Geschäft sein, sich der Herstellung von goldenen Fischchen zu widmen. So verbrachte er Stunden in dem stickigen Kämmerchen und sah zu, wie die vom Oberst mit der unbegreiflichen Geduld der Enttäuschung bearbeiteten harten Metallplatten sich nach und nach in goldene Schuppen verwandelten. Doch das Handwerk schien ihm so anstrengend und die Erinnerung an Petra Cotes so aufsässig und zwingend, daß er nach Ablauf von drei Wochen aus der Werkstatt verschwand. Zu jener Zeit gab er Petra Cotes Kaninchen zum Verlosen. Diese vermehrten sich und wuchsen so schnell, daß den beiden kaum Zeit zum Verkauf der Lotterielose blieb. Anfangs merkte Aureliano Segundo die bestürzenden Ausmaße der Vermehrung nicht. Doch eines Nachts, als schon niemand mehr etwas von Kaninchenlotterien wissen wollte, hörte er Rumoren in der Mauer des Innenhofs. »Keine Angst«, sagte Petra Cotes. »Das sind die Kaninchen.« Der Trubel der Tiere ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Bei Tagesanbruch öffnete Aureliano Segundo die Tür und sah den Innenhof von
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