Hundert Namen: Roman (German Edition)
das Herz brechen? Sie ist unterwegs zum Abenteuer ihres Lebens, ich bin schon ganz aufgeregt, obwohl ich sie überhaupt nicht kenne – wenn sie meine Großmutter wäre, würde ich das auf gar keinen Fall verpassen wollen.«
»Aber du hast gehört, was die Frau gesagt hat.«
»Ach komm.« Er sah sie an. »Kann die hartgesottene Reporterin Katherine Logan sich nicht irgendwas Cleveres einfallen lassen, um ihn da rauszulocken?«
»Nein, das mach ich nicht mehr«, erwiderte sie mit Nachdruck. »Außerdem hast du diesen Teil von mir immer gehasst.« Eigentlich wollte sie gar nicht, dass sich dieses Gespräch so ernst entwickelte, nicht jetzt, nicht, wenn draußen ein Altenheimbus mit elf Leuten und einem Tretboot im eingeschränkten Halteverbot stand und auf sie wartete. Aber sie konnte es nicht ändern, es war einfach ihr Ernst.
Wieder fixierte Steve sie mit diesem Blick, der ihr schon gestern eine Gänsehaut verursacht hatte. Sie versuchte, das Gefühl abzuschütteln, aber auf einmal war ihr unbehaglich zumute. »Aber es spielt ja auch keine Rolle«, sagte sie, drehte sich um und verließ die Bibliothek.
»Kitty!« Sie spürte seine Hand auf ihrem Arm. »Ich hab das alles nicht so gemeint.«
»O doch.«
»Okay, manches schon. Manches hab ich tatsächlich so gemeint. Aber ich hasse diesen Teil von dir nicht, ich wollte nur nicht, dass du ganz so wirst. Und ich hatte Angst, das würde passieren.«
»Das hab ich akzeptiert, und ich werde nie wieder so sein.«
Ungläubig starrte er sie an. »Ausgerechnet jetzt … kannst du nicht noch ein einziges letztes Mal die fiese, verlogene Reporterin spielen?«
»Du erlaubst es mir also ausdrücklich?«
»Es gibt für alles eine Zeit und einen Ort. Los geht’s.« Er grinste.
»Okay.« Kitty straffte die Schultern und ging zurück zum Empfangspult. »Hallo noch mal, es tut mir wirklich leid, Sie noch mal zu belästigen, aber es ist extrem wichtig, dass ich mit Edward spreche. Ich wollte das nicht auf diese Art durchsetzen, aber wir sind wegen Edwards Großmutter hier, wegen Birdie. Sie ist von uns gegangen, und das sollte er so schnell wie möglich erfahren, und zwar persönlich.« Kitty hörte Steve hinter sich nach Luft schnappen und bemühte sich, nicht zu grinsen, als die Bibliothekarin auch schon den Korridor hinunterhastete, um Edward zu holen.
Fünfzehn Minuten und Dutzende von Entschuldigungen später waren sie wieder unterwegs. Edward saß neben seiner Großmutter und überhäufte sie mit Fragen über den Ausflug.
»Und du bist sicher, dass es dir gutgeht?«
»Ja, ich fühle mich wunderbar.«
»Du … du stirbst nicht?«
»Nun ja, Lieber, wir müssen alle sterben, und vermutlich bin ich früher dran als du«, meinte sie scherzend.
»Das würde ich nicht unbedingt sagen«, mischte Molly sich ein. »Er könnte jede Sekunde dran sein.«
»Vor allem bei deinem Fahrstil«, konterte Edward. »Wer hatte denn überhaupt die großartige Idee, den Bus zu klauen?«
Molly schaute weg vom Spiegel und pfiff laut vor sich hin.
»Hast du mal daran gedacht, mich fahren zu lassen?«
»O ja, es gibt nichts, was ich lieber tun würde, als vier Stunden in deiner Rostlaube zu sitzen, um nach Cork zu kommen.«
»Weil dein Motorrad so viel toller ist.«
»Zumindest macht es nicht alle fünf Minuten schlapp.«
»Wenigstens kann ich so fahren, dass ich nicht ständig das Leben anderer Menschen in Gefahr bringe.«
»Was?«, rief Molly und starrte Edward mit zusammengekniffenen Augen im Rückspiegel an. »Was glotzt du so?«, fragte sie.
»Ich überlege nur, warum es Blau sein muss. Ausgerechnet Blau.«
»Damit es zu deiner Persönlichkeit passt«, konterte sie.
Offensichtlich kannten Edward und Molly sich gut. Kitty ertappte Birdie bei einem zufriedenen Schmunzeln, ehe sie wieder wie unbeteiligt aus dem Fenster schaute.
Nach einer Weile stand Kitty auf und ging zum Mikrophon. Sofort begann Sam zu johlen und forderte sie auf zu singen. Alle lachten und wandten sich ihr zu.
»Ich werde ganz bestimmt nicht singen«, verkündete sie.
»Von wegen!«, grölte Steve, und wieder gab es Gelächter von allen Seiten.
»Aber ich möchte gern ein paar Worte zu diesem Ausflug sagen. Ich weiß, die meisten von euch haben keine Ahnung, worum es genau geht, und ich weiß es wirklich zu schätzen, dass ihr trotzdem gekommen seid und diese Reise mit mir macht. Um die Wahrheit zu sagen, ist es eigentlich auch eher andersherum, denn ihr habt mich mit auf diese Reise genommen.« Sie
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