Hundert Namen: Roman (German Edition)
räusperte sich. »Leider habe ich vor ein paar Wochen meine Freundin und Chefin verloren – Constance ist an Krebs gestorben, und mir ist die Aufgabe zugefallen, den Artikel zu schreiben, den sie selbst nicht mehr schreiben konnte. Der einzige Hinweis, an dem ich mich orientieren konnte, waren eure Namen – und noch vierundneunzig weitere, die aber leider nicht mit uns in den Bus gepasst hätten.«
Wieder lachten alle.
»Ich hatte keine Ahnung, was ich für Constance schreiben sollte, aber je mehr ich mit euch allen spreche, je mehr ich euch kennenlerne – den einen ein bisschen mehr, den anderen ein bisschen weniger –, desto mehr bekomme ich das Gefühl, dass der Artikel sich selbst schreibt, weil ihr alle bemerkenswerte Menschen mit faszinierenden Geschichten seid, und ich bedanke mich, dass ihr sie mit mir teilt. Vor allem in einer Zeit, in der …« Sie hörte das Zittern in ihrer Stimme und hielt inne, um die Fassung zurückzugewinnen. Alle merkten es und sahen sie an, sogar Molly. »Bitte schau auf die Straße«, sagte Kitty. Damit hatte sie ihre Verlegenheit durchbrochen und konnte fertig sprechen. »Vor allem in einer Zeit, wo ich es wirklich gebraucht habe. Ich weiß, ich habe viele von euch genervt, manche haben sich bestimmt geärgert, dass ich in ihrem Leben aufgetaucht bin, als sie es gerade gar nicht brauchen konnten, und über Sachen sprechen wollte, über die sie überhaupt nicht sprechen wollten, aber ich schätze eure Geduld über alle Maßen und hoffe, ihr wisst, dass ich alles in euch investiert habe – euch kennenzulernen, eure Geschichten anzuhören, diesen Geschichten gerecht zu werden. Ich habe eine Menge von euch allen gelernt, ihr habt mich tief berührt, mich wieder auf den richtigen Kurs gebracht und – das meine ich vollkommen ernst – zu einem besseren Menschen gemacht.«
Sie sah, dass vor allem Ambrose sie mit ihrem durchdringenden Blick anstarrte.
»Also, dann möchte ich euch jetzt miteinander bekannt machen. Wir haben eine lange Fahrt vor uns, und ich bin sicher, dass ihr alle Gelegenheit haben werdet, miteinander ins Gespräch zu kommen und eure jeweiligen Geschichten zu entdecken – alle außer diesem jungen Mann hier.« Sie deutete auf Steve. »Er ist nicht hier, weil er was zu erzählen hat, er ist nur ein Freund von mir, also redet lieber nicht mit ihm.«
Alle lachten, und Steve schnitt ihr eine Grimasse.
»Vielleicht erzählt er uns was von Ihnen!«, rief Jedrek von hinten und erntete auch damit großes Gelächter.
»Nein, glaubt mir, das wollt ihr gar nicht hören.«
»Ihr hättet am Sonntag die Zeitung lesen sollen«, rief Steve, und diejenigen, die den Witz verstanden, lachten wieder.
»Danke, Steve, das war echt nett. Aber zuerst möchte ich euch die Frau vorstellen, die heute am wichtigsten ist: unser Geburtstagskind Birdie Murphy!« Es gab eine Runde Applaus, und alle sangen »Happy Birthday«.
Die Atmosphäre hätte kaum außergewöhnlicher sein können; alle mischten sich untereinander, und im Bus breitete sich eine echte Feierstimmung aus. Als Kitty sich wieder neben Steve setzte, konnte sie ihr zufriedenes Lächeln nicht verbergen.
»Schau dich bloß an, du strahlst ja wie ein Honigkuchenpferd«, sagte er und zerzauste ihr voller Zuneigung die Haare.
Kapitel 26
Die meisten der »Namen« hatten sich im hinteren Teil des Busses zusammengefunden und hörten Jedrek und Achar zu, die von ihrem Rekordversuch berichteten.
»Es ist ein Hundert-Meter-Tretboot-Sprint«, erklärte Jedrek gerade mit ernstem Gesicht. »Der derzeitige Weltrekord liegt bei einer Minute achtundfünfzig Komma sechs zwei Sekunden. Wir wollen es in einer Minute fünfzig schaffen.«
Alle staunten und klopften ihnen auf die Schultern.
»Und Sie machen den Rekordversuch in Cork?«, fragte Eva.
»Wir haben uns immer gewünscht, unsere Familien könnten als Zeugen dabei sein«, antwortete Jedrek ein wenig traurig. »Sie haben uns die ganze Zeit über begleitet, und dass sie nicht da sind …«
An dieser Stelle schaltete Achar sich ein. »Ja, leider konnten sie nicht mitkommen, aber es gibt einen wichtigen Grund, warum wir jetzt mit euch unterwegs sind. Wir haben nämlich erfahren, dass sich gerade ein Rekordrichter in Cork aufhält. Wenn wir ihn überreden können, sich unseren Rekordversuch anzuschauen, kann er offiziell als Guinness-Weltrekord anerkannt werden.«
»Aber wir brauchen nicht unbedingt einen Richter für unseren Versuch«, fügte Jedrek schnell
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