Hundert Namen: Roman (German Edition)
dem Drachen an der Rezeption abgewimmelt worden. Aber ich habe definitiv nie etwas von ihr gehört.« Wieder sah sie auf das Exemplar von Etcetera . »Wenn die Herausgeberin einer Zeitschrift mit mir Kontakt aufgenommen hätte – so etwas Aufregendes hätte ich mir ganz sicher gemerkt.«
In diesem Augenblick kam Molly mit dem Tee, und als sie Birdie ihre Tasse reichte, zwinkerte sie ihr verschwörerisch zu. Aus dem Becher stieg ein Duft auf, der ganz und gar nicht an Tee erinnerte.
»Sie ist meine einzige Komplizin hier, der Rest der Belegschaft ist streng bis dorthinaus«, lächelte Birdie, während sie ihren Brandy schlürfte.
Etwas enttäuscht stellte Kitty fest, dass ihr Tee einfach nur Tee war, denn auch sie hätte etwas Stärkeres gut vertragen können. »Es müsste länger als sechs Monate her sein, dass Constance Sie kontaktiert hätte, wahrscheinlich über ein Jahr, und da haben Sie noch in Beaumont gewohnt.« Als Birdie überrascht reagierte, weil Kitty ihren früheren Wohnort kannte, erklärte sie schnell: »Ich war heute Nachmittag bei Ihrem Haus. Agnes hat mir erzählt, dass Sie jetzt hier leben.«
»Ah, das ist also die Verbindung zu Agnes.« Birdie lächelte. »Agnes Dowling. Die neugierigste alte Schachtel, die man sich vorstellen kann, aber eine unglaublich treue Seele. Wie geht es ihr denn?«
»Sie vermisst Sie sehr, Birdie. Mit den neuen Nachbarn kommt sie nicht so gut zurecht.«
Die alte Frau lachte leise. »Ja, Agnes und ich waren ein gutes Team. Vierzig Jahre waren wir Nachbarinnen, und wir haben uns gegenseitig viel geholfen.«
»Agnes würde Sie gern besuchen, aber sie ist momentan nicht so mobil.«
»Ach ja«, antwortete Birdie leise.
Auf einmal fiel Kitty auf, dass das Leben im Heim die Bewohner zwang, ihrem Leben außerhalb dieser Mauern Lebewohl zu sagen. Sie konnten Besuch empfangen und Tagesausflüge unternehmen, vielleicht auch mal ein Wochenende anderswo verbringen oder sogar Urlaub machen, aber das Leben, das sie gekannt hatten, die Menschen ihrer Umgebung – das alles gehörte nicht mehr unmittelbar zu ihnen. Sie dachte an Sarah McGowan, die qualifizierte Buchhalterin, die jetzt am anderen Ende der Welt Wassermelonen erntete.
Theorie für die Geschichte – Abschied vom bisherigen Leben, Neubeginn. Ausgestoßene?
Nervös sah Birdie auf Kittys Notiz. Das war Kitty gewohnt, denn die Leute hatten oft Angst, mit Journalisten zu sprechen, weil sie fürchteten, etwas Falsches zu sagen.
»Meine Herausgeberin und Freundin Constance ist vor kurzem gestorben«, begann Kitty zu erklären. »Sie wollte einen Artikel schreiben, den sie nun mir übertragen hat. Leider hat sie nicht mehr die Gelegenheit gehabt, sie mir genauer zu erläutern. Ihr Name stand auf der Liste der Menschen, über die sie schreiben wollte.«
»Mein Name?«, wiederholte Bridget erstaunt. »Aber warum sollte sich Ihre Chefin denn für mich interessieren?«
»Sagen Sie es mir«, erwiderte Kitty. »Ist in Ihrem Leben irgendetwas passiert, was für Constance von Interesse gewesen sein könnte? Hätte sie etwas Bestimmtes wissen können? Etwas, worüber Sie öffentlich gesprochen haben oder was Constance von jemand anderem erfahren haben kann? Vielleicht haben sich Ihre Wege irgendwann gekreuzt? Constance war vierundfünfzig, französischer Akzent, zäh wie Leder.« Kitty lächelte.
»Meine Güte, ich wüsste ja nicht mal, wo ich anfangen sollte«, meinte Birdie. »Soweit ich weiß, habe ich in meinem Leben nie etwas wirklich Besonderes gemacht, ich habe niemandem das Leben gerettet, ich habe keine Auszeichnung gewonnen …« Sie zögerte. »Ich kann mir nicht vorstellen, warum sich jemand für mich interessieren sollte.«
»Wären Sie denn bereit, mich etwas über Sie schreiben zu lassen?«, fragte Kitty. »Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen? Womöglich finden wir dann heraus, was Constance so besonders fand.«
Birdies Wangen röteten sich. »Du liebe Zeit, eigentlich wollte ich mit Walter Schach spielen. Ich hab ja nicht damit gerechnet, dass auf einmal eine Zeitschrift einen Bericht über mich machen will.« Sie lachte wie ein junges Mädchen. »Ich helfe Ihnen liebend gern bei Ihrer Geschichte, aber ich weiß wirklich nicht, was Ihnen das bringen könnte.«
»Wunderbar«, sagte Kitty, aber aus irgendeinem Grund war sie nicht so glücklich, wie sie hätte sein sollen. Endlich hatte sie jemanden von der Liste gefunden, aber auch diese Person hatte keine Ahnung von der Geschichte. Die Sache wurde
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