Hundert Namen: Roman (German Edition)
Publicity-Agentin. Wir haben heute Ihren Anruf erhalten, schade, dass wir Sie verpasst haben, aber wir hatten furchtbar viel zu tun. Eva würde Ihnen sehr gern ein Interview geben. Wir sind eigentlich in Galway, aber morgen kommen wir nach Dublin, weil Eva bei Arnotts in der Henry Street ein Interview gibt. Wenn Sie Lust haben hinzukommen, könnten wir uns dort treffen.«
Eva Wu. Name Nummer drei auf der Liste, ihr zweiter Kontakt, und diese Person besaß sogar eine PR-Agentin, sie gab ein Fernsehinterview – wer um Himmels willen war sie, und wie hatte Kitty nichts von ihr mitbekommen können?
Als sie nach diesem anstrengenden Tag mit etwas optimistischeren Gefühlen nach Hause kam, stellte sie fest, dass jemand ihre Wohnungstür von oben bis unten mit Hundekacke beschmiert hatte.
Kapitel 8
»Tut mir leid, dass ich dich so spät noch hier antanzen lasse«, sagte Kitty zu Steve, als er aus dem Auto stieg. Beim Warten hatte sie sich ordentlich die Augen gewischt und hoffte jetzt, man würde ihr nicht mehr ansehen, dass sie geweint hatte. »Ich wollte eigentlich gar nicht, dass du kommst, ich wusste nur nicht, wen ich sonst anrufen soll. Mein Vermieter hat gedroht, wenn ich das Problem nicht umgehend geregelt kriege, schmeißt er mich nächsten Monat raus, und die Polizei wollte ich auch nicht alarmieren. Entschuldige«, wiederholte sie.
»Kitty, hör auf, dich zu entschuldigen, okay?«, erwiderte er sanft und legte den Arm um ihre Schulter – so viel Körperkontakt, wie sein öffentlichen Zuneigungsbeweisen abgeneigtes Wesen es eben zuließ. Heraus kam eine Art Fußballerumarmung, aber Kitty war dankbar, dass er sie überhaupt berührte. »Was haben sie denn diesmal angerichtet?«
Sie brauchte nicht zu antworten, denn der Gestank, der ihnen im Treppenhaus entgegenschlug, war unverkennbar.
»O Gott«, stöhnte er und zog hastig den Pullover über Mund und Nase.
Sie brauchten zwanzig Minuten, bis sie die Tür mit Hängen und Würgen gesäubert hatten, allerdings lag die Befürchtung nahe, dass der Gestank sich nicht so schnell verflüchtigen würde. Zum Dank für seine Bemühungen lud Kitty Steve zum Abendessen in das Bistro an der Ecke ein.
»Ich glaube, ich muss mir noch mal die Hände waschen«, sagte Steve naserümpfend. »Ich kann das Zeug immer noch an mir riechen. Ich weiß nicht, ob ich das je wieder wegkriege.«
»Du hast dir schon sechsmal die Hände gewaschen«, lachte Kitty und sah ihm nach, wie er in der Toilette verschwand.
»Wie sieht es denn aus bei dir? Ist Victoria Beckhams neue Kollektion nun heiß oder Scheiß ?«, fragte sie, als er zurückkam.
»Ha, ha«, antwortete er, ohne auch nur zu lächeln. »Keine Ahnung, wo ich jetzt ja kein Sklave ihrer Mode mehr bin.«
Steve war kein Sklave irgend einer Mode, sondern hatte seinen eigenen Stil, der nicht besonders schlecht, aber sehr konsequent war und sich seit der College-Zeit kaum verändert hatte. Die Stoffe waren etwas teurer geworden, und er wusch seine Sachen etwas öfter. Steve war inzwischen vierunddreißig, aber sein wilder schwarzer Lockenkopf hatte sich seit College-Zeiten wenig verändert und schien genauso widerspenstig wie er selbst zu sein. Ständig fielen ihm die Locken in die Augen, und dann warf er den Kopf mit einer ganz bestimmten typischen Geste nach hinten, weil er es schon längst aufgegeben hatte, sich die Haare mit der Hand aus dem Gesicht zu streichen. Er war chronisch unrasiert, die Stoppeln in Designer-Länge – Kitty hatte ihn noch nie frisch rasiert oder mit einem richtigen Bart gesehen. Er lebte praktisch in Lederjacken und Jeans, und man hätte ihn eher für einen Besucher düsterer Musik-Events halten können als für einen – wenn auch frustrierten – Sportreporter. Selbst wenn er ein Spiel besuchte, tauchte er nie im Trikot auf, denn er hatte nicht das Bedürfnis, seine Liebe zum Sport mit einem T-Shirt unter Beweis zu stellen. Er war die Verkörperung des ewigen Studenten, der nie Geld zu haben schien und sich die Wohnung mit schrägen Typen teilte und je nachdem, wie diese sich benahmen, früher oder später wieder auszog. Zurzeit wohnte er allerdings in einer hübschen Doppelhaushälfte, zusammen mit einem verheirateten Paar, das die Hypothekenzahlungen allein nicht schaffte. Die letzten sechs Monate hatte er nach der strikten Hausordnung des Ehepaars gelebt, sich mehr oder weniger notgedrungen ihrem Lebensstil angepasst, und es hatte fast den Anschein, als wäre er dadurch ein bisschen
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