Hundert Namen: Roman (German Edition)
Rechnung, und sie gingen schweigend zu Kittys Wohnung zurück.
»Ich schau mal nach, ob die Luft rein ist«, sagte Steve leise und rannte die Treppe hinauf.
Die Tür zum Treppenhaus war immer offen. Sooft Kitty auch schon mit dem Vermieter darüber verhandelt hatte, man konnte sie nicht abschließen, weil die Tür auch zu einer zweiten Innentür, dem Eingang der Reinigung, führte. Das bedeutete, dass Kittys Tür zu jeder Tages- und Nachtzeit problemlos zu erreichen war.
»Alles okay«, sagte Steve, als er zurückkam. »Aber es stinkt immer noch nach Hundekacke.«
»Danke, dass du gekommen bist. Ich weiß das wirklich zu schätzen. Vor allem jetzt, wo du eine Freundin hast«, fügte sie etwas kindisch hinzu und knuffte ihn mit dem Ellbogen in die Rippen.
»Sie möchte dich gern kennenlernen«, sagte er, offenbar wieder etwas besänftigt.
»Ja, gern, das wäre schön«, antwortete Kitty so übertrieben enthusiastisch, dass es Steve auffallen musste. »Tja, dann geh ich jetzt mal lieber rein, ehe jemand eine Wasserbombe mit Kotze auf mich schmeißt. Ich freue mich, dass du glücklich bist, Steve.« Sie strengte sich an, ihre Stimme ehrlich froh klingen zu lassen, aber sie hörte nur ihre eigene Stimme, die sagte: Dein Glück macht mich eifersüchtig und traurig, Steve. Ich bin ein verbitterter, völlig verkorkster Mensch.
Dann hielt sie sich ihre Jacke vor Mund und Nase, rannte die Stufen hinauf und versuchte sich einzureden, dass sie nur deshalb weinte, weil der Gestank so unerträglich war.
Kapitel 9
»Wir sind hier bei Arnotts , auf der neuen Etage für persönlichen Einkauf, und bei mir ist die Top-Super-Einkäuferin der Stars und Autorin des international bekannten Blogs ›Dedicated‹ – Eva Wu!«
Kitty und Gaby, Evas PR-Girl, standen neben der Fernsehkamera und beobachteten das Interview gemeinsam mit ungefähr einem Dutzend Kunden, die sich hier eingefunden hatten. Gleich am ersten Tag der Dreharbeiten hatte der Kameramann von Thirty Minutes Kitty erklärt, dass die Kamera ein »Idioten-Magnet« war. Sobald man sich mit einer Kamera in der Öffentlichkeit zeigte, löste das bei ansonsten völlig normalen Menschen eine Fülle von lächerlich selbstbezogenen Verhaltensweisen aus. Mehrere von Kittys Beiträgen waren beispielsweise von irgendwelchen Blödmännern ruiniert worden, die sich während der Aufnahme hinter sie gestellt und aufgeregt ihren Müttern zugewinkt hatten.
Jetzt war Kitty also in dem Kaufhaus an der Henry Street, um Eva Wu zu interviewen. Nach ihrer zweiten Auseinandersetzung mit Steve hatte sie nicht schlafen können und einen Großteil der letzten Nacht damit zugebracht, über Eva und ihren Blog zu recherchieren. Gaby hatte Kitty zu dem Treffen regelrecht gedrängt und heute im Lauf des Vormittags schon dreimal angerufen. Sie war überhaupt ein bisschen aufdringlich und redete furchtbar viel, eine typische PR-Quasselstrippe, die Dinge herbeizwang, selbst wenn sich die Natur und das Universum dagegen verschworen hatten. Kitty vermutete, dass Eva genau das Gegenteil war – jedenfalls redete sie nicht halb so laut, und Kitty musste die Ohren spitzen, um sie zu verstehen. Auch sonst machte sie einen eher zurückhaltenden Eindruck, ruhig, aber nicht schüchtern.
Eva wurde von einer der führenden TV-Moderatorinnen von The Scoop interviewt, deren Privatleben derzeit auf den Titelseiten der Regenbogenpresse für Schlagzeilen sorgte. The Scoop war eine Klatsch- und Showbiz-Sendung, die sich vor allem mit Schönheit und Mode beschäftigte.
»Nun, Eva«, säuselte die Moderatorin mit der erstarrten Stirn und der aufgeblasenen Oberlippe in ihr überdimensionales Mikrophon, auf dem das Logo von The Scoop prangte. »Dann erzählen Sie uns doch mal – wie war es denn so, Brad Pitt kennenzulernen?«
Eva lächelte höflich. »Tut mir leid, Laura, aber ich bin Brad Pitt noch nie persönlich begegnet.«
Laura sah auf ihre Notizen. »Cut!«, rief sie dann, und ihr aufgesetztes Lächeln verblasste wie auf Knopfdruck. Sie sah zur Kamerafrau hinüber. »Fangen wir noch mal an.« Bei drei war das Lächeln wieder angeknipst. »Nun, Eva, dann erzählen Sie uns doch mal – wie war es, George Clooney zu begegnen?«
Ziemlich nervös und ein bisschen ärgerlich sah Eva zu Gaby hinüber.
»Ich habe George Clooney nicht persönlich kennengelernt. Es war so, dass eine Firma, die mit ihm gearbeitet hat, mit mir Kontakt aufgenommen und mich gebeten hat, in ihrem Auftrag ein Geschenk für ihn zu
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